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Hasst wirklich jeder X-Men Origins: Wolverine? Als ich den Film im Rahmen einer privaten X-Men-Retrospektive vor einem guten Jahr nachgeholt habe, hatte ich meinen Spaß. Wesentlich mehr Spaß jedenfalls als mit X-Men: The Last Stand mit seinen konfusen Plotlines und seinem apokalyptischen-aber-dann-doch-nicht Ende. Origins ist ein B-Film in Geist und Umsetzung, und genau als solcher hat er auch Spaß gemacht: Plot, Look, Spezialeffekte und Charaktere hätten direkt aus einer „A-Team“- oder „MacGyver“-Episode stammen können, Logan mit Zigarre als Hannibal mittendrin. Boom, Baby!

Ich habe die „X-Men“-Comics nie gelesen und spüre deswegen nicht den gleichen Schmerz, den Fans empfinden, wenn ihre ikonischen Charaktere und Momente auf der Leinwand anders interpretiert werden, als in ihrer kollektiven Imagination. Trotzdem hatte ich nicht den Eindruck, dass der neue James-Mangold-Film The Wolverine (dt. Titel leider immer noch nicht Der Vielfraß, sondern Wolverine: Weg des Kriegers), der ja alles richten sollte, was Origins versaut hat, dem SNIKT-Mann wirklich einen so neuen Drall geben konnte. Logan ist wegen seiner Unsterblichkeit und den Qualen, die er dafür erleiden musste, eine zutiefst tragische Figur. Es scheint aber üblich zu sein, diese Tragik immer nur kurz anklingen zu lassen und sie ratz-fatz wieder wegzupacken und gegen sprücheklopfe Arschtreterei und brüllende Tötungsdelikte einzutauschen, sobald man kann. James Mangolds Wolverine ist da keine Ausnahme.

Der tragische Grizzly

Logan sieht alle um ihn herum sterben, die ihm etwas bedeuten – und wenn er doch mal ein Leben retten kann, scheint es später zurück zu kommen, um ihn heimzusuchen. Zum Beispiel, wenn er eigentlich als Grizzly in den Wäldern leben will, und dann doch nach Japan fliegt, um einem ehemaligen Soldaten Lebewohl zu sagen, dem er während des – auf der Leinwand beeindruckend umgesetzten – nuklearen Angriffs auf Nagasaki in Sicherheit bringen konnte. Der sterbenskranke Yashida macht Logan das Angebot, ihn sterblich zu machen, damit er selbst länger leben kann. Und weil er nicht auf eine Antwort warten will, lässt er ihn gleich entsprechend behandeln. Doch kommt Logan jemals auf die Idee, diese Option tatsächlich als Glücksfall in Betracht zu ziehen – schließlich ist seine Unsterblichkeit ja das, womit er immer ringt? Nein, er sniktet und bubt lieber um sich wie immer und hat – im Gegensatz zu vielen anderen Superhelden – auch kein Problem damit, seine Gegner schließlich zu töten.

Ich lese aus Kommentaren immer wieder heraus, dass das der Grund für Wolverines Beliebtheit ist. Logan der Badass, der sein Gewissen je nach Belieben ein- (Bedürftigen helfen) und ausschaltet (Bösewichter umbringen) und wegen seiner Unsterblichkeit an keine Regeln gebunden ist. Klar, das ist der Traum jedes männlichen Mittelklasse-Kellerkinds. Und Hugh Jackman ist mit seinem Sixpack und seinem kernigen Aussehen sicherlich die perfekte Besetzung dafür. Doch genau deswegen finde ich die übersteigerte Origins-Interpretation, Wolverine als Pulp-Hero mit Fuck-You-Attitüde, wesentlich sympathischer und ehrlicher, als eine dann doch nur halbherzig durchgehaltene Variante von Logan als weltmüdem Pseudo-Samurai.

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Es bechdelt

Umso erstaunlicher ist es, dass The Wolverine mit seinem Beefcacke-Helden im Zentrum etwas gelingt, an dem alle anderen Sommerblockbuster dieses Jahr bisher gescheitert sind: Er besteht den Bechdel-Test mit Bravour. Um den Vielfraß herum kreisen nicht eine, sondern gleich vier weibliche Charaktere mit Namen, die allesamt unterschiedliche Funktionen in der Dramaturgie des Films erfüllen, und durchaus auch Beziehungen zueinander haben, die nicht nur durch das Auftauchen eines Mannes bedingt sind.

Die konservativste Figur, leider eine Damsel in Distress, dürfte Tao Okamotos Mariko sein, die Enkelin des kranken Yashida. Sie verbringt große Teile des Films damit, von Wolverine gerettet und dann von seinen Gegenspielern wieder entführt zu werden. Zwischendurch (SPOILER BIS ZUM ENDE DES ABSATZES) kocht sie Logan stärkendes Essen und schläft mit ihm, damit er sowohl körperlich und seelisch ein bisschen geheilt wird. Der Lichtblick besteht darin, dass sie sich am Ende des Films etscheidet, ihr Erbe anzutreten, den Konzern ihres Großvaters zu leiten und somit ihr Schicksal in die eigene Hand zu nehmen. Immerhin: Eine Glass Ceiling wurde durchbrochen.

Famke Janssen kehrt als Jean Grey zurück, die aber leider (noch) nur als Traumfigur auftauchen darf und Logan von Zeit zu Zeit heimsucht. Als Projektionsfläche für die einzig wahre Liebe, die Logan je kannte, ist sie ebenfalls nicht unbedingt eine selbstbestimmte Figur, aber man hat doch immerhin den Eindruck, dass die Kombination aus Drehbuch und Janssens Darstellung dem Charakter genug Tiefe gibt, um ihn zu mehr als einer seufzenden Stimme im Wind zu machen. Selbst wenn man keinen der anderen X-Men-Filme gesehen hat – man spürt, dass Jean Grey eine Frau mit eigenem Kopf und eigenen Zielen war/ist, die nicht nur dafür erdacht wurde, an der Seite eines Mannes durch die Welt zu gehen.

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Ein weiblicher Bösewicht

Eins der Probleme von The Wolverine ist, dass Logan eigentlich keinen richtigen Gegenpart hat, mit dem er sich messen muss. Sein Gegner ist ein schwer durchdringbares Netz aus japanischen Familienbeziehungen und kriminellen Vereinigungen, das sich nur punktuell in direkten Konfrontationen manifestiert. Als Comic-Bösewicht am sichtbarsten ist Svetlana Khodchenkova als Viper, eine Mutantin mit giftigem Innenleben, die sich als Yashidas Ärztin ausgibt. Ihre Existenz als Gegenspielerin an sich ist schon bemerkenswert. Wann gab es das letzte Mal einen weibliche Villain in einer Comicverfilmung? Noch dazu eine Frau, die nicht wie Sharon Stone in Catwoman oder Uma Thurman in Batman Forever hauptsächlich mit den „Waffen der Frau“ kämpft, sondern sogar Wissenschaftlerin ist? Wer jetzt Mystique sagt, dem möchte ich entgegenhalten, dass Mystique ja eher so eine Art Bösewicht wider Willen ist, aus enttäuschtem Stolz und falscher Loyalität. Viper jedoch ist Bösewicht aus Leidenschaft, mit allem was dazu gehört, und Khodchenkova spielt Viper so over-the-top, wie man es sich nur wünschen kann.

Alle drei kommen jedoch nicht gegen Rila Fukushimas Yukio an. Die aparte Frau mit den feuerroten Haaren und dem deutlichen Akzent ist von Anfang an die stärkste Präsenz des Films. Sie dreht den Spieß – oder bessser das messerscharfe Schwert – rum, stellt sich Logan als sein Bodyguard vor und bleibt ihm bis zum Schluss lediglich als Freundin und alte Kämpin verbunden – obwohl die Versuchung, eine Dreiecksromanze ins Drehbuch zu schreiben, sicherlich groß war. Auch der umgekehrte Weg wird nicht gegangen: Yukio ist durchaus kein asexuelles Wesen. Sie hat ihre eigenen Gründe, um Mariko zu kämpfen, weil sie so eine Art Adoptivschwester ist, und erlebt ihren eigenen Storyarc relativ unabhängig von dem behaarten Muskelpaket neben ihr. Es bleibt zu hoffen, dass man sowohl die Figur Yukio als auch die Schauspielerin Rila Fukushima in Zukunft noch öfter zu sehen bekommt, wobei für ersteres die Chancen wahrscheinlich eher schlecht stehen.

Im Zentrum von Wolverine steht immer noch ein Mann und bis wir den ersten Superheldinnen-Film bekommen, wird es wohl auch weiterhin dauern. Aber immerhin wirkt der melodramatisch angelegte und dann kaum ausgespielte zentrale Konflikt dieses Mannes fast schon ein bisschen blass gegen die Power, die all diese starken Frauen um ihn herum ausstrahlen. Und damit ist The Wolverine dann in der Summe doch deutlich besser als Origins. Ihr dürft die Heugabeln wieder wegpacken.


Wolverine – Weg des Kriegers ist am 25. Juli in den deutschen Kinos gestartet.

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Walt Disney Pictures

(This is a sort of summary of all the thoughts I’ve had about the Avengers movie in the last year or so, some of which I’ve already blogged about. The actual review starts about halfway through the post.)

Universal Studios‘ Missed Opportunity

The year is 1940. Imagine you are J. Cheever Cowdin, President of Universal Studios, and you have an idea. Universal has built large parts of its reputation on a slate of genre movies based on gothic novel characters from the last century. „Hang on a minute“, you might say, „all the actors from these iconic roles are still alive, we have them under contract. Why don’t we assemble them in a large-scale gothic ensemble movie and let them have a big adventure together?“

Sadly, Cowdin didn’t have this idea at the time. The best classical Hollywood cinema could come up with, in terms of character crossovers, was Abbott and Costello Meet Frankenstein. It took the medium of comic books, both to realize a pan-gothic tale of high adventure (Alan Moore’s „The League of Extraordinary Gentlemen“) and to lay the tracks for what would become one of the most ambitious projects in recent film history: Marvel Studios‘ The Avengers.

When it comes to high-end production values, TV has definitely caught up with movies in recent years. At the same time, though, movies have taken a step towards TV’s more ambitious modes of storytelling. Film franchises, nowadays, are no longer content with telling a single story over a single film. Instead, they lean more and more towards building a cinematic universe that can be filled with stories from several films communicating with each other, as well as other media like games and novels that can run alongside.

Supergroup Mechanics

One of the driving forces behind this development was, once again, comics, and the movies based on their characters, which hit their third big stride (after the Superman films of the 80s and the Batman flicks of the 90s) with the Spider-Man films in the early noughties. Comics had proven over several decades that the characters called into action every week in the serial medium could meet, fight each other and help each other out, sometimes in small ways, sometimes in gigantic climactic battles. These characters were owned by the same company, ergo: they inhabited a universe generally governed by the same rules. A crossover would draw together fans from each of the series, in the same way a musical supergroup can bet on devotees from each of their members‘ regular bands showing up at a concert – and later on checking out those other regular bands as well. You don’t need Professor Xavier to see how this concept, in reasonable doses of course, lends itself if not to artistic success then at least to financial gain.

When „The Avengers“ first assembled in 1963, they weren’t the first superhero supergroup. Rival comic book company DC’s „Justice League of America“ had already crossed over Batman, Superman and other characters several years before. I have read only a few of the „Avengers“ comics, but let’s just say that, like many of Marvel’s characters, the team members were mired in all-too-human and superhuman problems, and the actual „Avengers“ troupe saw more lineup changes in its fifty years of existence than a badly organized rock festival. Members married, fought, went to war, made up, quarreled and fell in love more often than you want to know. However, they were all still part of one giant narrative called „The Avengers“ and overseen by Marvel Comics. (For a brilliant (albeit German) assessment of superhero team dynamics, I recommend Sabine Horst’s article in the upcoming issue of epd film, which she kindly let me read in advance).

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Hinged on a Promise

Movies of course, are a different breed from comics. Making them costs a lot more and they are dependent not only on the imagination of artists and writers but also on the schedules and egos of actors and directors. And it’s very rare to make a movie that starts to tell a story and then hope that the audience comes back next week to buy the next issue (even though Peter Jackson is doing it again at the moment).

Enter Kevin Feige, President of Production of Marvel Studios, who – at least in the media version of reality – is the mastermind behind the astounding feat that is The Avengers. When Feige took over the reins in 2007, the studio had already prepared the road for him. They had their $500 Million deal with Merrill Lynch set up and they had just bought back the rights for Hulk and Thor.

But it took Feige’s post-credit stinger in Iron Man in 2008, in which Samuel L. Jackson (who signed an unusual nine-movie-deal with the studio) first mentioned the „Avengers Initative“ to Robert Downey Jr.’s Tony Stark, for the transformation of comic book mechanics to big budget filmmaking to suddenly seem palpable. Everything that happened since then was no more than a gigantic buildup of expectations towards The Avengers.

Introducing characters in Iron Man 2 that were rather unnecessary to the film’s central narrative; releasing Thor and Captain America only several months apart; actually making Captain America (a film about a character which should have worried at least some executives about its limited potential in overseas markets); ending Captain America with the hero’s love interest lost and many questions unanswered; all these hinged on the promise of an as-yet-unmade movie to be directed by geek god Joss Whedon, which would be released in Spring 2012. One thing was sure: Even if The Avengers sucked, you would at least have to admire the effort.

When Fury Calls

Fortunately, it doesn’t suck. What could have turned into a huge clusterfrog of incompatible story lines, star personas battling for screen time and superhero technobabble, instead was gracefully crafted into one of the most enjoyable, clever, action packed pieces of big budget genre filmmaking in recent years. And at its centre rests, amazingly enough, a remarkable ensemble performance by mostly marquee-worthy actors not seen in this field since The Lord of the Rings.

To see the ensemble in action, however, you first have to put it together. The Avengers takes its time doing so, first introducing its main villain Loki and his attack on the headquarters of SHIELD, where he steals the energy-laden cube called the tesseract introduced in Captain America, turns several of SHIELD’s employees into his minions and plans to unleash an alien army to conquer Earth for him. SHIELD, with Samuel L. Jackson’s Nick Fury at the helm, is the smartly-constructed glue that holds the story together. It’s the Avengers‚ MI5, which monitors the superhero universe and calls upon its inhabitants as needed.

This time, Fury decides, the situation is so severe that it justifies a tryout of his masterplan – the superhero supergroup, which so far he has only discussed with the most visible of the future Avengers‘ team members, Tony Stark aka Iron Man. So it’s Fury who sends word to Stark and the recently thawed Steve „Captain America“ Rogers, and who sends Scarlett Johannsson’s Black Widow to charm Bruce Banner into returning from India – strictly for non-Hulk purposes of course. Thor finds his brother’s mischief on his own.

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Group Therapy

It will take another hour and a half until Earth’s Mightiest Heroes actually get to fight against Loki in the streets of New York. Until then, the team has to discuss among themselves, ulterior motives have to be revealed, a first test of their collaborative spirit has to pretty much go haywire. Someone, in true Joss Whedon fashion, even has to die. Most of the action takes place on SHIELD’s mobile headquarters, an airborne aircraft carrier outfitted with a command centre that would make the USS Enterprise hide in shame. While the action setpieces that dot the first two acts of the movie are well thought out and keep the suspense alive, they are really just an accompaniment to a number of well-choreographed dialogue scenes between the groups‘ members.

Lover’s of bare-bones-narratives might find these first two acts of The Avengers a bit lacking in momentum, but I think Whedon plays his cards exactly right. As a viewer, you need this array of quieter moments for the individual characters and their relationships with each other, to get a sense later on that there really is something at stake in this story, both with respect to external threats and internal morale. There is a scene in which Stark, who is obviously fascinated with the possibility of unleashing the Hulk, and Banner discuss their situation as one scientist to another, except that one of them is a loudmouthed playboy and the other one a soft spoken lost soul with what is repeatedly called „anger management issues“ in the film. Another moment pits Thor („You are all so puny!“) against Captain America’s superhuman righteousness, which simply knocks the arrogant norse god out cold. The situation is a little less clear with both Hawkeye and Black Widow, who are given back stories but cannot help but remain fighting ciphers, even referred to by Tony Stark at one point simply as „a couple of master assassins“.

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Despite this maybe somewhat wordy first part of the film, however, the story is still rather lean. Whedon never goes for cheap inside jokes unless they serve to push the narrative forward in some meaningful way. When the group finally stands in a circle in full costume, collects their orders from Cap and then sets out to put Loki’s cats back into their intergalactic bag, the audience has a clear feeling for each character’s motivation and roots for every single one of them. Loki as a villain, of course, makes for a great mirror image of the superhero team, borrowing some traits from each of them – from Thor’s arrogance and Stark’s cunning to Hulk’s uncontrollable wrath. That he still has to be a typical comic book villain with no real motive except a hunger for power stemming from a bad childhood, is a conceit that comes with the genre.

Who is the love interest?

In short: I really liked The Avengers. It’s a spectacular thrill ride for everyone who spent the last couple of years yearning for this moment and should be an entertaining ensemble action flick for everyone else, with a cast of colourful characters to match forebears like The Great Escape and The Magnificent Seven. It delivers on all promises made, it’s tightly written and cool enough to look at, featuring a star-studded cast in which the performances of Samuel L. Jackson and especially Mark Ruffalo probably stand out as most memorable. Ruffalo as Banner, the only member of the team who doesn’t wear his superhero guise on his sleeves, gives the film an emotional centre otherwise often occupied by the female love interest.

One last thing though. The Avengers is exhausting and after all that climax it makes you wonder what will happen next. Kevin Feige has already commented on how he plans to avoid sequel-itis in the following years. We shall see if he manages to pull it off a second time. I wouldn’t want to bet against it.

(Update: Die Zeit kann einen manchmal auf merkwürdige Weise einholen. Als ich dieses Magazin vor sechs Wochen in den Niederlanden entdeckte, kannte es die deutsche Öffentlichkeit zum großen Teil noch nicht. Ein Freund wies mich nach diesem Blogpost darauf hin, dass eine erste Ausgabe inzwischen in Deutschland erschienen ist. So zeigt sich, was es bedeuten kann, mit dem Bloggen zu lange zu warten. Insofern ist die Frage am Ende dieses Postings nicht hinfällig, sondern zutiefst aktuell geworden.)

Wenn ich im Ausland bin, verbringe ich gerne ein wenig Zeit damit, die örtlichen Zeitschriftenregale durchzuschauen und zu entdecken, welche ungewöhnlichen Zeitschriften andere Länder eventuell zu bieten haben. Und tatsächlich: manchmal ist ein echtes Fundstück dabei, zum Beispiel die Zeitschrift „Donald“ aus den Niederlanden.

Hier ein Bild davon, wie skeptisch ich zunächst war, als ich zum ersten Mal dieses „Männermagazin für große Jungs“ (Untertitel) in die Hand nahm.

skeptischer Blick

Denn „Donald“ ist tatsächlich eine sehr merkwürdige Mischung – ein Spinoff von „Donald Duck“, dem holländischen Äquivalent des deutschen „Micky Maus Magazins“. Es verbindet die üblichen Disney-Comicgeschichten, die ja in Europa einen wesentlich höheren Beliebtheitsgrad haben als in ihrem „Geburtsland“ USA, mit den Themen einer zahmen Männerzeitschrift: Frauen (ohne Erotik), Gadgets, Mode, Interviews, Fotostrecken.

Da Comics („Strips“) in den Benelux-Ländern immer schon auch bei Erwachsenen beliebt waren und „Donald Duck“ in den Niederlanden einen Kultstatus sondergleichen besitzt, scheint die Kombination aufzugehen. Das Hochglanzheft erscheint viermal jährlich, jedes Mal mit einem anderen Leitthema, um das sich alle Artikel drehen. Das aktuelle Heft hatte „Holland“ zum Thema und untersuchte nationale Identität und niederländische Erfolgsgeschichten – und das ziemlich gründlich und unterhaltsam. Der Schreibstil ist relativ salopp und das Budget des Hefts scheint nicht gigantisch zu sein, aber das Ergebnis macht Spaß – auch wenn es etwas gewöhnungsbedürftig ist, dass jede Geschichte an irgendeiner Stelle einen kleinen Donald-Dreh bekommt. So führt etwa „Donald“ einige Interviews und alle Prominenten werden nach ihrer Donald-Historie gefragt.

Wer die Zielgruppe wirklich ist, ist mir nicht ganz klar geworden. Vorstellen könnte ich mir, dass sowohl „kindgebliebene“ Erwachsene mit einem Hang zu Disney (ähem, wie ich) als auch Teenager, denen das reine Comicheft „Donald Duck“ nicht mehr cool genug ist, das Blatt kaufen. Vermutlich ist die letztere Gruppe größer, was auch den etwas flapsigen Stil und den Untertitel des Hefts („für große Jungs“) erklären dürfte. Die Selbstbeschreibung auf der Website, „Donald ist ein Hochglanzmagazin für Männer, randvoll mit Comics, Interviews und Reportagen“ spricht hingegen deutlicher die erste Gruppe an.

Heft

In jedem Fall ist die Gesamtqualität des Heftes deutlich höher und eleganter als beispielsweise die des 1998 eingestellten deutschen „große Jungs“-Comicmagazins Limit, das ich damals eine Weile gelesen habe.

Was meinen die Leser dieses Blogposts? Würde ein Konzept wie „Donald“ auch in Deutschland funktionieren?

Soso, ein Trailer für Scott Pilgrim vs The World ist also draußen.

Ich bin unentschieden. Einerseits finde ich Edgar Wright gut und bin grundsätzlich der Meinung, dass er gute Filme macht – andererseits kann ich Michael Ceras wimpiges Gehabe irgendwie auch nicht mehr sehen. Ich kenne die Vorlage nicht, weiß also nicht wirklich, was mich erwartet, aber dafür ist mir etwas anderes aufgefallen.

Wright benutzt in seinem Film für Actionszenen die sound words der Comic-Sprache als Schrift im Bild. Hier zum Beispiel:

Damit benutzt er nicht nur die Mittel der digitalen Technik, um sich dem Medium, das er adaptiert, filmisch zu nähern – für mich eines der Merkmale meines Steckenpferds, der von mir sogenannten „Neuen Digitalen Ästhetik“, die sich u. a. durch Verfremdung und Medienhybridität auszeichnet – sondern er ist überhaupt seit langem jemand, der sich mal wieder traut, kreativ mit Schrift im Filmbild umzugehen.

Schrift, Typografie ist eines der zentralen Merkmale mehrere Kunstformen, aber im Film hat sie, abgesehen von Titelsequenzen, in der Regel keinen Platz, weil sie etwas Abstraktes ist, mit der in der Diegese des Films nicht umgesprungen werden kann. Schließlich soll Film meistens eine Nachahmung von Leben sein, und im nichtfilmischen Leben verfestigen sich sinnliche Eindrücke ja auch nicht spontan in Schriftform.

Trotzdem gibt es immer wieder Momente, in denen auch Typografie ihren Platz in der Filmwelt hat. Das älteste Beispiel sind vermutlich stumme Zeichentrickfilme, die sich in ihrer Bildgestaltung noch sehr an ihre Ursprünge, die Cartoons amerikanischer Zeitungen anlehnten. Hier ein Beispiel aus Soda Jerks mit Mutt und Jeff von 1925 (nachkoloriert in den Fünfzigern):

Wenn man sich den ganzen Film anschaut sieht man, das er grundsätzlich stumm ist (also ohne Sprechblasen o.ä. auskommt), aber in Schlüsselmomenten Wörter ausschreibt – meistens Sound Words wie „Wheee!“ oder das „ZZZZ“ eines Schlafenden, aber in dem obigen Beispiel eben auch mal einen Moment, der genau so viel plötzliche Schlagkraft hat wie das, was ein Sound Word normalerweise repräsentiert – hier der Moment, in dem die Hauptfiguren auf einmal merken, das die Polizei im Anmarsch ist.

Obwohl sich die Praxis, Typografie als Teil der Animation zu haben, im Tonfilm nicht durchsetzte, taucht sie vereinzelt immer wieder auf, hier zum Beispiel in Werner – Beinhart (1990)

Eine weitere direkte Bezugsquelle für Scott Pilgrim ist natürlich die alte Batman-Serie mit Adam West, doch hier sind die Sound Words einzelne Bilder, die eingeblendet werden und nicht Teil des Bildes.

Zu interpretieren gibt es hier erstmal nichts, der Comic-Bezug ist relativ klar. Ich bin nur gespannt, ob das Prinzip auch im Film funktioniert, oder ob es den Zuschauer aus dem Eintaucherlebnis herausreißt.


Aber weil ich gerade dabei bin, hier noch zwei weitere Assoziationen zum Thema „Spaß mit Schrift im Film“, die ich beim nachdenken hatte. Da war einmal der clevere Einsatz von Untertiteln in Danny Boyle’s Slumdog Millionaire, wo die Untertitel Teil des bunten, dynamischen Gesamtgefüges der Bildgestaltung werden:

(Ja, ich weiß, nicht gerade ein gutes Beispiel, aber ich habe immer noch keinen Weg gefunden, meine amerikanischen DVDs, z. B. die von Slumdog Millionaire, auf meinem Mac abzuspielen – auch der VLC-Player hilft mir nicht – und deswegen musste ich mich beim einzig möglichen YouTube-Clip bedienen)

Und dann ist da schließlich noch das Beste an David Fincher’s Panic Room, der inzwischen gefühlt drei Millionen mal kopierte Vorspann, in dem die Worte in den New Yorker Straßenschluchten umherschleichen:

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