Blogosphären-Hinweis (II): Mr. Vincent Vegas Filmecke
2. August 2013
Wer mein Blog liest, weiß, dass ich eine bestimmte Form von Filmjournalismus besonders goutiere, vielleicht auch, weil sie mir selbst am besten liegt. Statt jeden Film zu „kritisieren“, zu zerlegen und zu deuten, picke ich mir lieber einzelne Aspekte von Filmen heraus, forme sie zu einer These, spitze diese noch ein bisschen zu, und schreibe von dort aus los – auf der Suche nach Trends, Merkwürdigkeiten und Besonderheiten.
Der einzige andere Autor der deutschen Film-Blogosphäre, der mir bisher mit einer ähnlichen Taktik untergekommen ist, ist Rajko Burchardt. Er ist nicht nur nachgerücktes Mitglied der Fünf Filmfreunde und betreibt sein eigenes Blog namens „From Beyond“, sondern er veröffentlicht auch eine regelmäßige Kolumne auf „moviepilot.de“ unter dem Künstlernamen „Mr. Vincent Vega“ (die Alteren erinnern sich, das ist der Name von John Travoltas Charakter in Pulp Fiction).
Hier pickt sich Rajko jede Woche ein Thema heraus, und philosophiert dann fröhlich eine Weile darüber. Besonders viel Spaß macht es ihm dabei, bewusst gegen den Mainstream- oder Geek-Konsens zu argumentieren: Grown ups 2 ist der beste Film des Sommers, Ziemlich beste Freunde ist Mist, und Hans Zimmer bedeutet das Ende der Filmmusik. Man spürt richtiggehend die diebische Freude, die der Autor dabei hat, so zu provozieren – und der Entrüstungssturm, der unter jedem Artikel in den Kommentaren losbricht, dürfte Belohnung genug sein.
Doch dahinter steckt keine Provokation um des Masochismus willen. Wenn man ein paar der Kolumnen gelesen hat, merkt man auch, dass viele der vertretenen Thesen eindeutig aus einem Bedürfnis entstehen, der Hypemaschine des modernen Filmmarketings und der daraus erwachsenden Nerd-Monokultur etwas entgegenzusetzen. Ich kann mir kaum vorstellen, dass Rajko Grown Ups 2 wirklich für den besten Film des Sommers hielt, aber seine Argumentationslogik führt zumindest dazu, dass man mal ein paar Gedanken über die moderne amerikanische Komödie verliert, und merkt, wie überwältigend doch die Macht eines Kritikerkonsens im Zeitalter von „Rotten Tomatoes“ sein kann. Die Artikel entstammen immer einem Wahrheitsfunken, der dann von Rajko kunstvoll zu einer mutigen Behauptung aufgeblasen wird, damit er auch so richtig wirkt.
Ich selber bin für so etwas zu harmoniebedürftig. Aber ich finde es super, dass andere auf diese Art die Diskussion in einer Branche fördern, die sich viel zu oft auf ein „Agree to Disagree“ für einzelne Filme geeinigt hat. Ich persönlich würde so etwas gerne viel öfter lesen.
Hier geht es zu „Mr. Vincent Vegas Filmecke“
P.S. Ein Interview mit Rajko gibt es hier.
Die deutsche Film-Blogosphäre: Wulf Bengsch vom „Medienjournal“
22. Januar 2013
Auf das „Medienjournal“ stößt man früher oder später automatisch, wenn man sich durch die Film-Blogosphäre wühlt, weil es – scheinbar ohne es zu wissen – einer ihrer Knotenpunkte ist. An den meisten Montagen nämlich wird dort der „Media Monday“ veröffentlicht, ein Lückentext zum Thema Film, der sich als Stöckchen (= Blog-Kettenbrief) zwischen den teilnehmenden Blogs verbreitet. Das ganze hat auf der einen Seite etwas so herzig Web-1.0-iges, wie ein nostalgisches Überbleibsel aus der Zeit, als Blogs tatsächlich noch fast ausschließlich persönliche Tagebücher waren (und in der Tat sind die meisten Media-Monday-isten auch Blogger ohne journalistischen oder analytischen Impetus). Auf der anderen Seite schafft es aber einen der wenigen Ariadnefäden, an dem man sich durch die deutsche Film-Blogosphäre hangeln kann, ohne auf Facebook und Twitter zurückzugreifen (qed, als am Montag einige Blogger erst durch den jüngsten „Media Monday“ auf meinen Artikel stießen). Kein Wunder also, das Wulf Bengsch vom „Medienjournal“ auch eine ganz andere Wahrnehmung der Blogosphäre hat, als viele andere.
Beschreibst du kurz in eigenen Worten, was du im „Medienjournal“ machst, warum, wie lange schon, und wie es dazu kam?
Also in kurzen Worten ist bei mir immer schwer, bemühen werde ich mich aber natürlich ohne Frage. Das Medienjournal existiert seit Februar 2011 und seither blogge ich in wildem Wechsel über Filme, Bücher, Serien und Graphic Novels, die mir unter die Nase geraten, seit Ende Mai 2011 zu meinem immer noch währenden Glück auf meiner eigenen Domain, die mir doch deutlich mehr Freiheiten einräumt, als es zuvor der Fall war.
Die Geschichte, wie es zur Gründung des Medienjournals kam ist ebenso alt wie gut und ich erzähle sie immer noch gerne, zumal es mir von Tag zu Tag unglaublicher erscheint, was daraus entstanden ist. Also, es war dereinst an einem… Moment, ich sollte mich ja kurz fassen: Ich saß also mit meiner Freundin vor dem Fernseher und wir sahen uns Julie & Julia auf DVD an, einen Film, der davon handelt, dass eine Frau namens Julie ein Blog eröffnet, um die Rezepte der berühmten Julia Child an 365 Tagen nachzukochen.
Meine Freundin, die zur damaligen Zeit schon eine leichte Affinität für die Kochkunst entwickelt hatte, drängte kurzerhand darauf, selbst ein Blog eröffnen zu wollen, freilich zum Thema Kochen und Backen. Pragmatisch wie ich damals war und immer noch bin, merkte ich an, dass sie dann wohl künftig lange Abende vor dem Laptop zubringen würde ob ihrer Blogtätigkeit und dass ich dann wohl notgedrungener Maßen ebenfalls ein Blog eröffnen müsse. Mein Blick schweifte durch die Wohnung und selbiger fiel alsbald auf zahllose Filme und Bücher, die meine beinahe ebenso zahllosen Regale füllen und die Idee zum Medienjournal ward geboren. Der Rest – wie man so schön sagt – ist Geschichte.
Denkst du, man braucht irgendeine Art von professionellem Hintergrund, um sinnvoll über Film bloggen zu „dürfen“?
Ich hoffe sogar inständig, dass dem nicht so ist, denn schließlich würde ich mich ansonsten selbst diffamieren, denn Professionalität in punkto Film wüsste ich bei mir nicht zu benennen. Freilich hilft es, wenn man schon einige Filme kennt und am besten auch noch Freude an deren Konsum hat. Sicherlich ist es aber hilfreich, wenn man sich auszudrücken weiß und die deutsche Sprache beherrscht, insbesondere in der Schrift, denn es gab da wirklich schon Blogger, die ich im Grunde gut gefunden hätte, wenn deren Ausdrucks- und Schreibweise nicht so gänzlich unter jedem Anspruch rangiert hätte, was mir die Lesefreude leider verleidet hat.
Ansonsten gehört vielleicht allerhöchstens Mut zum eigenen Stil dazu, denn beispielsweise auch ich bin mir durchaus bewusst, dass ich mich zuweilen schwülstiger ausdrücke als meine „Artgenossen“ und dass meine Sätze mitunter absonderliche Ausmaße annehmen. Würde ich mich dieser Tatsache allerdings verweigern, würde auch das Schreiben mir alsbald mehr keine Freude bereiten. Das wiederum würde man ihnen anmerken und es wäre rasch vorbei mit der Bloggerei. Man braucht also im Grunde rudimentäre Grammatikkenntnisse, ein Gefühl für Sprache, Leidenschaft und den Mut zur eigenen Ausdrucksweise – ja und die Sache mit den Filmen, also der Kenntnis selbiger, die wäre auch wichtig.
Dein „Media-Monday“ ist einer der wenigen Meme, der außer in deinem noch in anderen deutschen Filmblogs auftaucht. Was war der Gedanke dahinter, wie hat sich das Ganze entwickelt und was hältst du davon?
„Mein“ „Media Monday“ war ja ursprünglich mal der „Movie Monday“, ins Leben gerufen von meinem geschätzten Blogger-Kollegen Randy von „Beat the Fish“ (dessen Blog zu meinem Bedauern seit geraumer Zeit brach liegt) und somit hatte ich keine Gedanken dahinter, außer dass sich mir nach 25 von ihm ausgerichteten Episoden die Chance bot, diesen zu übernehmen und damit hoffentlich zu Ruhm und Ehre zu gelangen. Die Tatsache, dass der „Media Monday“ auch auf anderen Film-Blogs erscheint, beurteile ich natürlich außerordentlich positiv, denn schließlich stelle ich ja nur die Fragen und wäre da niemand, der diese beantworten würde, verliefe die Chose zugegebenermaßen relativ witz- und ergebnislos.
Die Zeit des großen Besucheransturms und der Teilnahme von beinahe fünfzig Bloggern (auch aus anderen Sparten) ist zwar lange vorbei, dennoch macht es mir immer noch eine Menge Spaß, diesen die ein um die andere Woche ausrichten zu dürfen. Zwar habe ich auch immer mal wieder damit geliebäugelt, es meinem Vorgänger gleichzutun und das Zepter weiterzureichen, doch haben mich zuletzt die herzerwärmenden Neujahrsgrüße der treuen Teilnehmer davor bewahrt, diesen Schritt unbedarft zu tun, so dass der „Media Monday“ allen Interessierten noch eine Weile erhalten bleiben und danach hoffentlich bei einem anderen enthusiastischen Blogger ein neues Zuhause finden wird.
Hast du den Eindruck, dass es darüber hinaus so etwas wie eine deutschsprachige Film-Blogosphäre gibt, in der die Blogs miteinander kommunizieren? Wenn ja, kannst du sie beschreiben?
Die hiesige Film-Blogosphäre zu beschreiben fällt mir zugegebenermaßen schwer, doch sie ist da und durchaus aktiv. Ich könnte jetzt einige Kollegen benennen, die für mich definitiv zum „Interieur“ der deutschen Film-Blogosphäre gehören, doch würde dies sicherlich auch den Rahmen sprengen. Allgemein gesagt sind sicherlich die anderen Blogger die fleißigsten Kommentatoren, ganz im Gegensatz zu dem Gros an stillen Lesern, freilich auch deshalb, weil sie (zumindest bei mir) auch auf simpelste Art und Weise eine Verlinkung abstauben können, jedoch hatte ich nie das Gefühl, dass diese Kommentare zu reinem Selbstzweck erfolgen. So kann ich also zumindest festhalten, dass die deutsche Film-Blogosphäre einerseits mehr als quicklebendig ist und andererseits einen regen Austausch untereinander pflegt. Erstaunlicherweise verhält es sich sogar so, dass gerade meine Stamm-Kommentatoren die mir liebsten Blogs betreiben, man also – um es platt auszudrücken – auf einer Wellenlänge liegt.
Mein Eindruck ist, dass dein Blog trotz dem „Journal“ im Namen, das ja irgendwie eine Art Tagebuch impliziert, einen hohen Service-Anteil hat. Ist das etwas Bewusstes und hat das einen Grund?
Also das „Journal“ ist tatsächlich bewusst gewählt und sollte auch ganz explizit den Gedanken an ein Tagebuch implizieren, da ich im Kern der Sache alles rezensiere, was mich interessiert und was ich mir in den letzten Tagen und Wochen zu Gemüte geführt habe, oftmals sogar in halbwegs chronologischer Reihenfolge. Jetzt stellt sich mir die Frage, worauf genau dieser „Service-Anteil“ abzielt oder was damit gemeint ist.
Ich meine, dass du zum Beispiel „Kino-Vorschauen“ schreibst von Filmen, die du noch nicht gesehen hast, dazu aber Empfehlungen aussprichst. Das sah für mich nach Service aus, nach dem Motto „Ich bin ein Filmexperte, und ich erzähle euch Lesern schon einmal, was ihr erwarten könnt“.
Ja, das ist natürlich schon ein gewisser Service, aber das hat sich mehr unbewusst so entwickelt und bietet auch mir persönlich einen gewissen Mehrwert, da ich sozusagen „gezwungen“ bin, mich mit den Filmstarts der Woche auseinanderzusetzen und diese zu sondieren. Die Idee dahinter war aber ursprünglich eher, dass ich dadurch eine gewisse Aktualität wahre, denn meine übrigen Beiträge folgen ja auch nicht unbedingt den neuesten Trends und News-Beiträge wird man bei mir ebenso vergeblich suchen. Als Filmexperte würde ich mich auch nicht betrachten, da gäbe es ganz andere Leute, denen das besser zu Gesicht stünde. Dennoch hoffe ich natürlich, dass meine Zeilen den einen oder anderen unterhalten und womöglich auf einen Film aufmerksam machen, der ansonsten nicht beachtet worden wäre.
Ist dir „Erfolg“ beim Bloggen wichtig? Bist du in deinen Augen mit deinem Blog erfolgreich?
Das kommt darauf an, was man unter Erfolg verstehen mag, denn beispielsweise eine stetig steigende Leserschaft ist mir durchaus wichtig und macht für mich Erfolg aus, denn würde ich nach beinahe zwei Jahren noch immer im Geiste einen leeren Raum anbrüllen hätte ich das Bloggen vermutlich mittlerweile drangegeben. Finanzieller Erfolg hingegen steht bei mir gänzlich hintenan und deshalb ist das Medienjournal auch gänzlich werbefrei, abgesehen von den Produkt-Verlinkungen im Rahmen des Amazon-Partnerprogramms, die sich aber auch stets explizit auf das vorgestellte, also rezensierte Produkt beziehen. Jedoch selbst hiermit habe ich nach anderthalb Jahren Teilnahme nicht die Auszahlungsgrenze von 25 Euro erreicht, so dass man mein Blog, würde ich nach diesem Erfolg gehen, als glatte Pleite verbuchen könnte. Die Besucherzahlen laut Google Analytics sprechen aber eine andere Sprache und letztlich sind es vielmehr diese, die ich gezielt verfolge, als der Umstand, ob ich mit einer Verlinkung ein paar läppische Cents verdient habe. Oder – um es kurz zu machen – Erfolg ist mir, in Form von Kenntnisnahme und steigender Bekanntheit – durchaus nicht egal, finanziell hingegen beinahe völlig – schließlich ist es immer noch ein Hobby.
In meinen Augen bin ich also durchaus erfolgreich und neben relativ stetig steigenden Besucherzahlen freuen mich natürlich vor allem die immer neuen Kooperationen mit diversen Vertriebspartnern, die mir durch ihre Bereitschaft zur Kooperation ja auch indirekt signalisieren, dass das Medienjournal – und somit das, was ich tue – durchaus Wert ist, beachtet zu werden.
Wie regelmäßig und wie wertvoll ist das Feedback, das du von deinen Lesern bekommt?
Was für eine Frage! Natürlich ist das Feedback das Wertvollste, denn es bedeutet, das sich nicht nur jemand dazu bequemt hat, einen der im Schweiße des Angesichts verfassten Texte zu lesen, sondern sich seinerseits auch noch die Mühe gemacht hat, hierzu einen Kommentar zu verfassen – ein größeres Kompliment kann es für den Verfasser doch kaum geben (außer vielleicht dem Pulitzerpreis)! Die Regelmäßigkeit schwankt natürlich von Artikel zu Artikel und es könnte mehr Feedback sein, jedoch bin ich manchmal auch nicht besser und finde selten genug die Zeit, Kommentare auf anderen Blogs und Seiten zu hinterlassen, gelobe hier aber natürlich Besserung für 2013.
Welche Blogs (über Film und drumherum) liest du selbst? Zu welchem Zweck?
Im Grunde lese ich all die Blogs, die in meiner Blogroll vertreten sind mehr oder minder regelmäßig, weshalb ich mich auch für eine Blogroll entschieden habe, die immer die neuesten Artikel anzeigt, so dass ich auch fernab meines Feedreaders, in den ich nur sporadisch schaue, auf dem Laufenden bleibe. Warum ich diese Blogs lese sollte klar sein, zur Unterhaltung, aus Interesse und weil ich teils auf freundschaftlichem Fuß mit den Damen und Herren stehe, die dort ihre Meinung zum Besten geben.
Gibt es nach deiner Ansicht im Bereich Film im deutschsprachigen Web so etwas wie Leitmedien? Was wären die?
Leitmedien sind immer schwierig zu definieren, aber spontan würden mir da sicherlich moviepilot.de, filmstarts.de und natürlich mit internationaler Ausrichtung die IMDb einfallen, zumindest sind dies meine ersten Anlaufstellen, wenn man eben einmal von den zahlreichen Blogs absieht.
Wenn du an der ganzen Sache mit dem Bloggen, wie es im Moment läuft, etwas ändern könntest, was würdest du ändern?
Ich würde mir wünschen, mit etwas mehr Disziplin an die Sache herangehen zu können, mehr Zeit für mein Blog erübrigen zu können, als ich es sowieso schon tue. Es wäre toll, wenn ich irgendwann einmal dahin fände, ein paar Artikel fertig in der Schublade zu haben und nicht jeden Abend vor dem Laptop zu sitzen und meine Rezensionen ad hoc zu verfassen, zumal ich das Bloggen dadurch immer wieder ausfallen lasse, wenn anderweitige Freizeitaktivitäten anstehen. Wenn ich also etwas ändern könnte, würde ich mir gerne eine Extrastunde pro Tag einräumen, in der ich mich darum bemühe, künftige Rezensionen auf ihre baldige Veröffentlichung vorzubereiten. Ansonsten läuft es im Moment ja ganz wunderbar und so lange mir meine Leser, Kommentatoren und Pressekontakte gewogen bleiben, kann auch 2013 im Grunde nichts schiefgehen, denn das Bloggen macht Spaß wie eh und je – und das ist ja schließlich die Hauptsache, oder?!
Die deutsche Film-Blogosphäre: Christoph Hochhäusler von „Parallel Film“ und „Revolver“
22. Januar 2013
Christoph Hochhäusler ist Filmemacher. Und er bloggt. Mit anderen Worten: Er ist einer von denen und er ist einer von uns. Das allein ist schon Grund für Faszination und damit auch für ein Interview. Doch sein elektronisches Notizbuch „Parallel Film“ ist auch so das Lesen wert, vor allem wenn man sich für Inspiration interessiert. Denn Christoph notiert dort wirklich meist nur wenige Sätze, manchmal ein paar Bilder, aber man spürt, wie dahinter die Räder in seinem Kopf mahlen. Und vielleicht taucht eine Umsetzung der Notizen dann eines Tages in einem seiner Filme auf.
Du bist einer der wenigen deutschen Filmemacher, die bloggen. Wie lange machst du das schon und wie kam es dazu?
Angefangen habe ich vor etwas mehr als sechs Jahren, im August 2006. Seitdem habe ich fast 500 Einträge online gestellt, mehr oder weniger regelmäßig über die Jahre verteilt. Der erste Eintrag umreißt das Projekt so: „Hier sollen in loser Folge Gedanken zum Film veröffentlicht werden, als parallele Bewegung zu meiner filmischen Arbeit“ (16.08.2006). Deshalb auch der Name „Parallelfilm“. Wobei „parallel“ nicht heisst, dass ich die Einträge zeitgleich zur praktischen filmischen Arbeit veröffentliche. Eher schreibe ich in den Lücken zwischen Film und Film an einem „Parallelfilm“. Seit anderthalb Jahren betreue ich auch das „Revolver Blog“, als aktuelles Fenster der halbjährlich erscheinenden Filmzeitschrift, die ich 1998 mitgegründet habe und mitherausgebe. Seitdem fokussiere ich auf meinem eigenen Blog noch stärker auf die Dinge, die meine eigene Arbeit betreffen, Links und Hinweise finden sich hingegen verstärkt bei „Revolver“.
Hat sich etwas geändert, seit du angefangen hast? Warum bloggst du heute?
Es hat sich wenig Grundsätzliches verändert. Ich veröffentliche noch immer Gedanken über das Filmemachen, die mir von allgemeinem Interesse zu sein scheinen, manchmal schreibe ich über Filme, die ich gesehen habe, gelegentlich weise ich auf film- oder netzpolitische Aktualitäten hin. Daneben gibt es Lektürehinweise und Links. Das Netz hat sich in den sechs Jahren erheblich verändert, gerade auch die cinephile Szene ist lebendiger geworden, finde ich (oder ich habe sie besser kennengelernt). Meine Gründe sind immer noch die selben: Ich will ins Gespräch kommen über das Medium, mir selbst klar werden über bestimmte Fragen und Interessierte über meine Aktivitäten informieren.
In den USA finden sich einige Filmemacher, insbesondere solche die ohnehin schreiben, die auch bloggen. Hast du eine Theorie darüber, warum das in Deutschland nicht mehr Filmschaffende machen?
Es gibt durchaus einige Kollegen, die bloggen. Interessanter Weise sind einige der aktivsten keine digital natives: Hans-Jürgen Syberberg, Rudolf Thome, Romuald Karmakar zum Beispiel. Von den jüngeren fallen mir spontan Rainer Knepperges und Dietrich Brüggemann ein. Die amerikanische Filmblog-Szene ist ohne Zweifel lebendiger und vielfältiger als unsere, aber sehr viele US-Filmemacher, die bloggen, kenne ich nicht.
Wie verknüpfen sich dein Blog und deine Arbeit für „Revolver“?
„Revolver“ ist ja im Wesentlichen ein O-Ton-Format. Das heisst wir veröffentlichen Interviews mit und Texte von Filmemachern. Die Perspektive ist arbeitspraktisch. Als Herausgeber stellen wir natürlich Fragen, schreiben gelegentlich mal einen Text, aber im Kern geht es um die Positionen der Anderen. In meinem Blog kann ich mich dagegen den Fragen widmen, die mich interessieren und bin in der Art der Äusserung freier. Die wenigsten Einträge erfüllen die formalen Voraussetzungen oder Erwartungen an einen Artikel. Es ist eben wirklich ein (Web-) Logbuch. Oft blogge ich nur ein einzelnes Bild oder einen Satz, auf den ich gestossen bin.
Wie misst du für dich den Erfolg deines Blogs? Ist dein Blog erfolgreich?
Schwer zu sagen. Die Google-Statistik zählt 160.000 Seitenaufrufe insgesamt. Ich kann nicht beurteilen, was das bedeutet. Das Revolver-Blog hatte in einem Jahr mehr Leser als Parallelfilm in sechs. Subjektiv gesprochen aber habe ich durchaus das Gefühl, dass in den Kreisen, in denen ich mich bewege, bestimmte Stichworte aus meinem Blog „landen“, also diskutiert werden. Und um diese Art Austausch geht es mir letztlich. Entscheidend sind nicht die Klickzahlen, sondern das Gefühl, von meinen „Wahlverwandten“ wahrgenommen zu werden.
Bekommst du regelmäßig Feedback auf das, was du schreibst? Bist du im Dialog mit deinen Lesern?
Viel weniger als ich dachte. Und sehr abhängig vom Thema. Es gab in den sechs Jahren vielleicht vier, fünf Mal einen Eintrag, der wirklich kontrovers diskutiert wurde, mit 20 und mehr Kommentaren und einer „überregionalen“ Verlinkung. Die übrige Zeit ist es eine kleine Gruppe von Leuten, die immer mal wieder kommentiert. Gelegentlich trifft man sich dann auch in der realen Welt oder lernt sich überhaupt erst über das Blog kennen. Das ist ein paar Mal vorgekommen, aber es passiert sehr selten. Nach Dreileben hat mir einer – anonym – geschrieben, ich solle mir doch Imamuras Vengeance is Mine ansehen. Dafür bin ich sehr dankbar. Imamura war wirklich eine Entdeckung für mich. Nur schade, dass ich Vengeance nicht vor den Dreharbeiten von Eine Minute Dunkel gesehen habe.
Welche Blogs über Film etc. liest du selbst? Zu welchem Zweck?
Ich habe über die Jahre eine riesige Blogroll angesammelt und lese da quer, wenn ich Zeit habe. Viele amerikanische Blogs. Mubi Notebook lese ich gerne. „Perlentaucher“ Filmkritiken. Das Cargo-Blog (auch wenn es dort nicht mehr so hoch her geht, seit Ekkehard Knörer bei „Merkur” ist). „New Filmkritik“, vor allem, wenn Rainer Knepperges schreibt. David Bordwell. „Dirty Laundry“ (Lukas Förster). „Filmtagebuch“ (Thomas Groh). „Fandor Keyframe“ (David Hudson und Kevin B. Lee vor allem). Eskalierende Träume ab und zu. „Girish“. „The Playlist“. Den Filmfeuilleton-Aggregator Film-Zeit. Critic.de ist ziemlich gut geworden in letzter Zeit. „Artechock“. Die Blogroll von unserem Revolver Blog ist einigermassen aktuell, da finden sich dann noch einige Namen mehr. Warum ich das alles lese? Ganz allgemein gesprochen: aus Erkenntnisinteresse. In der Summe bekommt man einen ganz guten Eindruck über den Status Quo unserer Kunst.
Hast du den Eindruck, dass es so etwas wie eine deutschsprachige Film-Blogosphäre gibt, in der die Blogs miteinander kommunizieren? Wenn ja, kannst du sie beschreiben? Bist du ein Teil davon?
Ja, die gibt es. Zwischen „new filmkritik“ (als einer der ältesten Seiten dieser Art in Deutschland) und „Cargo“ und critic.de und Lukas Förster und Thomas Groh und „The Wayward Cloud“ und „Eskalierende Träume“ und auch „Revolver“ natürlich gibt es viele Verbindungen. Das merkt man an Verlinkungen, an Kommentaren, an personellen Überschneidungen (natürlich gibt es auch noch andere, kommerziellere Cluster dieser Art). Parallelfilm ist da eher ein Trabant, weil ich da ja sozusagen als Produzent schreibe. Aber ich fühle mich durchaus als Teil dieser Welt.
Die von dir aufgezählten Blogs klingen gemeinsam nach so einer Art Arthaus-Feuilleton-Club. Meinst du es gibt auch Brückenschläge zu den eher geekig-nerdigeren Ecken des Filmnetzes oder bleiben die beiden Sphären eher getrennt – ähnlich so, wie es ja im Kino auch nur wenige Filme schaffen, Massenpublikum und Film-Intelligentsia in ihrem Zuspruch zu vereinen?
Also „geekig-nerdig“ sind die „Eskalierenden Träume“ bestimmt. Auch „Wayward Cloud“ bemüht sich sehr um die Grenzen des guten Geschmacks. Thomas Groh und Lukas Förster kommen so weit ich weiss aus der Richtung Fanzine/“Splatting Image“, sind also bestimmt nicht auf Konsens-Arthouse abonniert. Ich selbst bewege mich da auf deutlich kanonischeren Bahnen, verstehe mich nicht als Fan, bin kein Trash-Liebhaber oder Genre-Aficionado usw. Ganz grundsätzlich würde ich dir zustimmen: das Publikum ist heute sehr ausdifferenziert, entmischt sozusagen, und das schlägt auf das Kino zurück. Im Oktober 2006 habe ich dazu selbst einmal etwas geschrieben.
Gibt es im Bereich Film im deutschsprachigen Web so etwas wie Leitmedien, wie es sie auch im Printbereich gibt?
„Spiegel Online“ hat glaube ich die größte Reichweite unter den deutschen Seiten, aber mindestens in kulturellen Dingen ist das natürlich reinster Boulevard. Es gibt ein paar respektierte Namen, die schon länger dabei sind, etwa „telepolis“ oder „Perlentaucher“ – aber Leitmedien? Vielleicht könnte man Seiten wie Wikipedia so einordnen? Aber gerade in Sachen Film ist die deutsche Wikipedia-Gemeinde leider sehr schwach.
Wie würde dieser Komplex „Schreiben über Film im Netz“ in einer perfekten Welt aussehen?
Ich würde mir vor allem mehr Streit wünschen. Die deutsche Filmszene kennt viele Beißhemmungen. Und ich fände langfristig gut, wenn man gute Texte unaufwändig belohnen könnte. Flattr geht zwar in die richtige Richtung, ist mir aber immer noch zu kompliziert. Dass die großen Printmarken sich im Netz so einzäunen verhindert viele Diskussionen. Wir brauchen mehr und selbstbewusstere Aggregatoren, die eine Art Portalfunktion übernehmen und vielleicht auch bestimmte Fragen „plakatieren“, den Streit organisieren, die Arena dafür bieten. Wenn ich die „taz“, „faz“ oder „sz“ wäre, würde ich ein großes, unabhängig kuratiertes Schaufenster (nicht nur) für die deutschen Filmblogs einrichten. Natürlich müssten die „Auslagen“ im Schaufenster irgendwie bezahlt werden, aber entscheidender ist das Bewusstsein, dass journalistische Autorität nicht (mehr) durch Exklusivität, sondern durch Auswahl und Kontext entsteht.
Die deutsche Film-Blogosphäre: Ciprian David von „Negativ“
21. Januar 2013
„Negativ“ war zuerst mal die Konkurrenz. Zu einer Zeit, als ich noch in einer der fünf Trauerphasen zum langsamen Relevanzverlust von Screenshot war, gab es da plötzlich dieses neue Blog von (im Kern) Mainzer Filmwissenschaftlern, das auch noch gut war. Ich hatte wirklich Respekt vor dem, was Ciprian, Elisabeth und seine Crew dort aufbauen wollten, und mein Respekt wuchs nur noch, als sie sich im Sommer entschieden, umzusteigen auf das, was sie eigentlich wollten. So verschwurbelt manche der Textansätze auf „Negativ“ mir manchmal scheinen, ich finde die dortigen Autoren machen es richtig und mit ihrem ungewöhnlichen, reduzierten Design, gewinnen sie noch an Faszinationsfaktor. Bevor ich Thesen und Interviews hatte, entstand wohl auch mit aus dem Tapetenwechsel von „Negativ“ in mir der Wunsch, das Thema „Deutsche Filmblogs“ anzusprechen – und ursprünglich mal wollte ich nur mit Ciprian darüber reden.
Beschreibst du kurz in eigenen Worten, was ihr bei „Negativ“ macht, warum, wie lange schon, und wie es dazu kam?
Wir schreiben über Filme, Serien, Games, seltener über andere Themen, die mit visuellen Künsten zu tun haben. Wir versuchen uns auch in anderen Formen als der Kritik und hoffen, zu anderen Übersetzungen von Film in Text zu finden. Wir hoffen, der Online-Umgebung immer mehr, möglichst auch in der Form, gerecht zu werden – was nicht zwingend ein Gegebenes ist.
So oft es möglich ist, treffen wir uns, um als Gruppe über diese Künste zu reden, uns auszutauschen. Das klappt manchmal nicht, denn dann artet es in einen fröhlichen Umtrunk aus, doch jedes Treffen hinterlässt einige Textideen oder persönliche Bereicherungen für die Anwesenden. Ich denke, die meisten von uns schreiben, weil diese Künste nicht nur einen wichtigen Bestandteil unserer Leben ausmachen, sondern weil wir auch die Auseinandersetzung mit ihnen brauchen, und dazu gehört auch das Schreiben. In der jetzigen Form gibt es „Negativ“ seit knapp einem halben Jahr, gegründet wurde die Seite aber Anfang 2010, als einige Freunde sich eine eigene, zu ihrem Schreibrhythmus passende Plattform wünschten. Elisabeth und ich wurden mit der Zeit zu den Hauptbetreuern des Projekts und sind es heute noch.
Du hast es eben schon erwähnt: Ihr habt anders angefangen als ihr jetzt auftretet. Kannst du beschreiben, was den Wandel hervorgebracht hat, wie er vonstatten ging und wie es euch jetzt mit dem Blog geht?
Am Anfang wollten wir ein Publikum, darum haben wir uns auch zusammengetan, der Idee nachgehend, dass mehr Texte zu mehr Aufmerksamkeit führen werden. Da dies relativ schnell geschah, sahen wir „Negativ“ als einen möglichen Karriereweg nach dem Studium und gaben der Seite eine immer kommerziellere Ausrichtung. Wir wurden zu einem richtigen Magazin, das im Durchschnitt über 20 Texte am Tag brachte und irgendwann sogar mehr als 50 mehr oder weniger aktive Autoren und Redakteure einte. Doch nach zwei Jahren wurde uns klar, dass ohne angemessene Gehälter die Wenigsten auf Dauer motiviert bleiben, eine immer größer werdende Seite zu betreiben und dass diese Seite sich immer mehr thematisch und qualitativ einem wirtschaftlichen Diktat unterordnet, und sich somit von unserem ursprünglichen Ideal, gut und immer besser über Film zu schreiben, entfernte. Als es klar wurde, dass die wirtschaftliche Ausrichtung in eine Sackgasse führte und das Verfolgen dieses Ziels für einige von uns Selbstdestruktion oder zumindest geistige Stagnation bedeutete, zogen wir die Notbremse. Nun sind wir eine offene Plattform, wo jeder schreiben kann, was er will. Wenn es Elisabeth und mir gefällt, dann wird es veröffentlicht. Wenn nicht, wird darüber diskutiert. Also weniger Blog, wie kuratierte Plattform, die prinzipiell jedem zur Verfügung steht.
Weil ich euch zum Teil persönlich kenne, weiß ich, dass die meisten von euch studierte Filmwissenschaftler aber keine gelernten Journalisten sind. Braucht man deiner Ansicht nach generell Qualifikationen, um über Film zu bloggen? Braucht man welche, um bei „Negativ“ zu bloggen?
Um zu bloggen, ließe sich allgemein behaupten, braucht man nur Lust am Schreiben. Um generell über Film zu bloggen braucht man Leidenschaft für Filme, für die Sprache und für das Schreiben. Essenziell ist meiner Meinung nach aber auch die Bereitschaft, sich mit seinem Thema wie mit dem Schreiben auseinanderzusetzen und diese zu perfektionieren, was mehr als nur learning by doing mit sich bringt. Nichts anderes verlangen wir bei „Negativ“, auch wenn wir das intern auf mehreren Seiten aufgeschrieben haben, die wir neuen Autoren zur Verfügung stellen.
Wonach wählt ihr heute eure Themen aus?
Alle schreiben über das, was sie beschäftigt, ob neu oder ein Jahrhundert alt. Das antworten wir auch allen, die bei uns anfangen wollen. Das macht das Schreiben schwierig, habe ich den Eindruck, besonders heute, wenn alle Augen der Schreiber instinktiv auf das Aktuelle gerichtet sind, aber ich denke, dass eine gute Seite so verfahren muss, denn so überwindet man die Schwelle der leichten Auswahl von Filmen, die gerade irgendwo zu einem Markt finden, und man findet schließlich zu sich selbst.
Wie messt ihr den Erfolg eures Blogs? Geht es noch um Erfolg und seid ihr in deinen Augen mit dem was ihr jetzt erreichen wollt, erfolgreich?
Erfolg im klassischen Sinne interessiert uns nicht mehr. Wir machen, was wir wollen, und das ist diesbezüglich synergetisch. Wir freuen uns, wenn Diskussionen, intern oder extern, um die Texte entstehen, wenn wir durch unsere Posts zu anderen finden, wenn wir die Landschaft bereichern können.
Bekommst du regelmäßig Feedback auf das, was du schreibst? Bist du im Dialog mit deinen Lesern?
Ja, Feedback gibt es, aber sehr selten auf dem klassischen Weg, durch die Kommentarfunktion. Das meiste passiert unter Freunden, die sich für ähnliche Themen oder für das Schreiben interessieren, und vor allem im Facebook, wo sich die meisten internetaffinen Filmschreiber zu einer großartigen Gemeinde mehr oder weniger zusammengetan haben. Nicht immer kompakt, doch genug, um zu wissen, wo man leicht zu einer Diskussion findet.
Welche Blogs (über Film und drumherum) liest du selbst? Zu welchem Zweck?
Ich lese primär Personen, nicht Blogs. Und da viele auf mehreren Plattformen schreiben, schaue ich selektiv auf sehr vielen Seiten. Abonniert habe ich nur 17 deutschsprachige Blogs, bei welchen die üblichen Verdächtigen schreiben: von Cargo, Revolver, new filmkritik über die Blogs von Thomas Groh, Lukas Foerster, Nikolaus Perneczky, sozusagen die Berliner Elite. Eine Ausnahme davon machen „Eskalierende Träume“ und „Hard Sensations sowie der Blog von Oliver Nöding. Ansonsten sehr viel auf Englisch (als Morgenkaffee „Fandor“ und „The Notebook“) und einiges auf Rumänisch, aber die Liste wird ansonsten zu lang.
Was mich dahin treibt, ist die Gewissheit, dass mich die Texte bereichern, ob durch Ideengehalt oder Schreibweise, viel weniger als einzelne Filmtitel. Jedenfalls sehe ich schon länger davon ab, Rezensionen-Magazine zu lesen, da ist die Monotonie der Texte zu groß.
Hast du den Eindruck, dass es so etwas wie eine deutschsprachige Film-Blogosphäre gibt, in der die Blogs miteinander kommunizieren? Wenn ja, kannst du sie beschreiben? Ist „Negativ“ Teil dieser Blogosphäre?
Ja, ich denke es gibt mehrere Blogosphären. Eine, um die Seiten, die ich lese, dann noch eine um Autoren der bekannteren Magazinen, und dann noch eine um Blogger, die aus einer Fan-Perspektive schreiben – die letzteren scheinen mir sogar am meisten miteinander zu kommunizieren. Ich denke aber, dass sich ein Großteil der Kommunikation von den Seiten hin zu Facebook verschoben hat. Vielleicht nicht in all diesen Sphären, aber zumindest in denen, die ich verfolge. Und dass man entsprechend nicht mehr nach Kommentaren die virale Reichweite eines Textes messen kann.
Was „Negativ“ betrifft, ist es mir sehr schwer etwas zu sagen. Diese Verbindungen scheinen zwischen Menschen zu entstehen, nicht zwischen Seiten, und manche von uns sind mit einigen in Kontakt, andere mit anderen, welche mit keinen.
Gibt es im Bereich Film im deutschsprachigen Web so etwas wie Leitmedien? Was wären die?
Die IVW-Statistiken sprechen dazu eine objektive Sprache, aber da ich die meisten dieser Seiten nicht besuche, kann ich nur über die eigene Interessensnische reden, in welcher die „taz“, die „FAZ“ und die „Zeit“, aber auch „Cargo“, „Revolver“, „Perlentaucher“ und „critic.de“ das sind, was ich Leitmedien nennen würde.
Nach deiner Beobachtung: Werden die Bereiche „Arthaus“ und „Mainstream“ beim Bloggen irgendwie anders behandelt?
Um pauschal zu antworten, ja. Auf einer ersten Ebene wird in den meisten Fällen nicht anerkannt, dass im Arthouse schon längst ein Mainstream existiert. Das hat vielleicht mit der Subversivität der Bezeichnung ‚Arthouse‘ zu tun. Es hat auch mit den Auswertungswegen in Deutschland zu tun, mit dem, was Programmkinos geworden sind und wie sie dennoch als Siegel für künstlerisches Kino wahrgenommen werden. Viele Filme der letzten Jahre machen deutlich, dass im Mainstream wie im Arthouse Differenzierungen nötig sind, darum würde ich am liebsten diese Kategorien gesprengt sehen. Namen von Regisseuren sind beispielsweise nicht automatisch ein Garant für die Erfüllungen einiger Erwartungen, ebenso wie Namen von Kritikern nicht ein Maßstab für den eigenen Blick sein sollen. Es gibt generell zu viel Konsens in der Filmkritik, manchmal selbst in der ernstzunehmenden Filmkritik, und das ist online grundsätzlich schlecht, denn die Blogs vervielfachen sich gegenseitig, anstatt sich zu bereichern.
Wenn du an der ganzen Sache mit dem Bloggen, wie es im Moment läuft, etwas ändern könntest, was würdest du ändern?
Ich werde hier etwas radikal sein, mir am liebsten die Idee der Blogs wegwünschen und stattdessen auf Autoren setzen. Es wäre schön, wenn es grob gesehen für jede Art des Schreibens eine Plattform gäbe, und nicht 100. Jeder könnte schreiben, wo er am besten reinpasst, und müsste nicht gleich versuchen, sein eigenes Blog zu pushen. Denn die Clickskämpfe sind nur verlorene Energie, wir haben das durchgemacht und es tut mir jedes Mal weh, wenn ich ein neues Projekt sehe, das vermutlich in wenigen Jahren im Sand verläuft, weil den Betreibern die Energie ausgeht. Aber wie kann man das jedem Neuen klarmachen, dass er doch bei einer bestehenden Plattform schreiben soll – da hat er natürlich eigene Träume bis zum Zerbrechen zu verfolgen. Und die Landschaft, anstatt qualitativ besser zu werden, fragmentiert sich weiter, vervielfacht sich unter neuen Blognamen.
Wäre es anders gewesen, hätten wir bei „Negativ“ vermutlich auch nicht zueinander gefunden, doch solche Plattformen wie Facebook ersetzen dieses Manko zu einem beträchtlichen Teil. Mit vielen Autoren, die nicht bei uns schreiben, kommuniziere ich über Facebook mehr als mit manchen unserer eigenen Autoren. Man soll sich eben nur trauen, Menschen, die einen interessieren, anzufreunden oder zu abonnieren.
Was hat dir das Bloggen gebracht? Was wird es dir noch bringen?
In erster Linie habe ich nach diesen Jahren eine Menge Bekannte und einige sehr gute Freunde gewinnen können. Und ich lerne seit dem ersten Text das Schreiben, das Filmeschauen, und die Beziehung zwischen den beiden. Was kann man sich mehr wünschen?
Ein Teaser für den Trailer
16. Januar 2013
Die Überschrift stimmt nicht ganz, eigentlich ist das hier schon der Trailer. Nächste Woche geht es rund in diesem Blog. Ich habe neun ganz verschiedene Filmblogger zu ihren Blogs und zu ihrer Einschätzung der Blogosphäre befragt. Ich habe meine eigenen Eindrücke der deutschen Film-Blogosphäre oder Film-Netz-Landschaft anhand ihrer Aussagen überprüft und auf vier Thesen verdichtet. Ich werde in der kommenden Woche zunächst eine Art Leitartikel und dann die vollen Interviews als Ergänzung auf diesem Blog veröffentlichen. Und wenn alles gut läuft, hoffe ich, dass ich eine kleine Debatte anstoße. Man darf ja noch träumen.
(Addendum:) Wenn man es genau nehmen will ist mein Tweet der Teaser für den Trailer.