Dem am Donnerstag startenden neuen Marvel-Film Captain America: The Winter Soldier könnte man mit einiger Berechtigung manche kritische Frage stellen. Zum Beispiel: Ist es wirklich notwendig, dass ein Film, der so vielversprechend als Paranoia-Thriller anfängt, am Ende doch wieder in einem krawalligen Showdown münden muss, in dem jede Menge Pixel explodieren und dessen zentrales Plotelement an der selten dämlichen Idee hängt, dass tödliche futuristische Flugzeugträger ihre hochsensiblen Zieldaten in einer offen zugänglichen Platine gespeichert haben, die sich in einem zentralen, verglasten und unbewachten Versorgungsschacht an der Unterseite des Gefährts befindet?
Oder: Hat der sogenannte „Winter Soldier“ eigentlich irgendeine wirkliche Funktion, außer moralisch ambivalenter Gegenpart für Captain America zu sein, und ist es nicht eigentlich schade, eine so wichtige Umkehr der zuvor als sicher geltenden Ereigniskette für so eine generische Handlanger-Rolle zu verbraten? Wäre insofern der deutsche Verleihtitel sogar fast wirklich (*schluck*) der passendere?
Mit diesen Fragen will ich mich aber im Folgenden nicht beschäftigen, sondern mit der zentralen Verschwörungsthematik des Films.
Eine länger angelegte Entwicklung
Captain America: The Winter Soldier greift in seinem Spionage-Setting geschickt und ziemlich bewusst aktuell schwelende gesellschaftliche Themen rund um Überwachung und Verdachtsjustiz auf. Die Entwicklung ist seit längerer Zeit schon in den Marvel-Filmen angelegt. Die Mutation von S.H.I.E.L.D. zu einem autokratischen Machtapparat, dem auch dann nicht zu trauen ist, wenn er behauptet, auf der Seite der „good guys“ zu stehen, klang in den Avengers schon an und ist auch einer der Handlungsstränge in der ABC-Serie „Agents of S.H.I.E.L.D.“.
In The Winter Soldier blüht sie vollends auf. Nach einer Entscheidung des ominösen „Weltsicherheitsrates“ plant S.H.I.E.L.D. mit seiner Helicarrierflotte einen signifikanten Teil der Menschheit ohne Gerichtsverfahren (!) auf Basis von gesammelten Daten (!!) automatisiert von Weitem (!!!) hinzurichten. Steve Rogers, der ewige Anwalt der Unterdrückten und Verteidiger des Gerechten, muss quasi zum Edward Snowden werden, wenn sich ein wichtiger Teil der Handlung darum dreht, einen S.H.I.E.L.D.-gebrandeten USB-Stick zu bergen und seinen entlarvenden Inhalt in die Welt zu spielen. „This isn’t freedom, this is fear“, hält Rogers auch im Trailer Nick Fury entgegen.
Am Ende von The Winter Soldier liegen S.H.I.E.L.D. und seine größenwahnsinnigen Machenschaften in Trümmern. Ein konsequenter und durchaus mutiger Move, was die Mythologie des „Marvel Cinematic Universe“ angeht und als Kommentar auf die momentane Weltlage nicht zu unterschätzen.
Wäre da nicht die Begründung, die der Film für die Pläne von S.H.I.E.L.D. liefert.
HYDRA ist überall
Wie Cap und Black Widow nämlich in den Geheimräumen eines alten Bunkers erfahren müssen, ist S.H.I.E.L.D. nur deswegen so faschistisch geworden, weil es seit Ende des Zweiten Weltkrieges systematisch von Nazis unterwandert wurde. Nicht von Nazis im übertragenen Sinne, also von engstirnigen Menschen, sondern von echten, deutschen Weltkriegs-Nationalsozialisten mit Schurken-Akzent und „Heil“-Rufen, Mitgliedern des Nazi-Forschungstrupps HYDRA und deren Rekruten.
Nun könnte man den Filmemachern gegenüber gnädig sein, wie es einige Kritiker getan haben, und daraus schlussfolgern, dass sie die momentanen Methoden der US-Regierung und ihrer Geheimdienste in die Nähe von Nazi-Ideologien rücken. Man könnte aber auch sagen, dass sie sich genau mit diesem Nazi-Unterwanderungs-Plot aus der Verantwortung stehlen. „Wahre Amerikaner“, sagt der Film aus, „wären von sich aus nicht auf solche Teufeleien gekommen. Die Nazis haben es ihnen eingeflüstert.“ Deportation nach Guantanamo Bay abgewendet. Doppelt zynisch: Sharon Carter wechselt am Ende des Films von S.H.I.E.L.D. zur C.I.A. – scheinbar den wahren good guys.
The Winter Soldier reiht sich damit ein in die Polonaise der Comicfilme, die irgendwie was zu sagen haben, aber eigentlich dann doch wieder nicht so richtig. Iron Man über Waffen. The Dark Knight Rises so insgesamt. In letzter Instanz ist es wichtiger, dass die großen Blockbuster-Zeltpfosten möglichst alle Teile des politischen und demografischen Spektrums zufriedenstellen, als dass sie eine klare Haltung zeigen. Das entspricht auch durchaus der Geschichte ihrer gezeichneten Vorbilder, die sich etwa durch die bewegten 60er Jahre ebenfalls mit einer vagen „Für Gutes, gegen Schlechtes“-Haltung hindurchlavierten, aber im Zweifelsfall lieber einem klassischen Comicschurken die Schuld gaben, als gesellschaftliche Übel zu benennen.
Es geht auch anders
Dabei ist das kein Muss. In den X-Men-Filmen von Bryan Singer ist die Parabelhaftigkeit, mit der „Mutanten“ für quasi alle ausgegrenzten Minderheiten, insbesondere aber für Homosexuelle, einstehen, nicht zu übersehen und die Filme sind trotzdem unterhaltsam. Mit der Figur von General Stryker, der bereit ist, seinen eigenen mutierten Sohn zu quälen und zu opfern, um sein Bild von Reinrassigkeit aufrecht zu erhalten, gelingt Singer ein erschreckendes Bild für blinden Fanatismus, weit weg von den hämisch kichernden Schießbuden-Nazis aus dem Captain-America-Kosmos.
Ist das, was Marvel in The Winter Soldier wagt, schon mehr, als man eigentlich erwarten darf? Oder sollten sich Comic-Verfilmungen mit ihrer Leitkultur-Funktion, die sie mittlerweile fast wahrnehmen, noch stärker auf die soziale Verantwortung besinnen, die sie besitzen? Für Cap wird die Antwort darauf wohl erst Age of Ultron geben. Autor und Regisseur Joss Whedon ist ja gemeinhein nicht dafür bekannt, in gesellschaftlichen Dingen ein Blatt vor den Mund zu nehmen.
The Operational Aesthetic of Marvel’s Cinematic Universe
24. März 2014
This is a paper proposal that was just accepted at the SAS Symposium „Adaptation: Animation, Comics and Literature“ in Stuttgart on 24 April. I’m both thrilled and very intimidated that I get to test the main thesis of my planned book in front of an expert audience. I hope to share the full version of the paper with you after the fact.
When Guardians of the Galaxy hits movie theatres this August, it will probably be yet another box office success for Marvel Studios. It will also be another piece in the astounding puzzle that Marvel Studios is building, producing a series of big budget films that share a universe and a sort of supra-narrative, but not a linear story. And while people will come for the action and the talking raccoon, they might stay for the experience of watching a plan come together.
Jason Mittell, writing about complex contemporary TV shows, calls this fascination with narrative consonance the „Operational Aesthetic“, a term he borrowed from Neil Harris, who used it to describe the success of 19th century showman P. T. Barnum. The „narrative special effect“ (Mittell) that is at work here, fits perfectly for a cinematic continuity adapted from comic books, because it has long been established there. American superhero comics have gone to great lengths to keep their interweaving, decade-old narratives aligned in the same universe, even staging cataclysmic events across all series to retroactively explain continuity errors and escape narrative cul-de-sacs.
The paper will highlight both the narrative and economic intricacies of Marvel Studio’s cinematic universe plan, link it to the concept of the operational aesthetic and trace back its origins to their comic book counterparts. It will show where the „shared universe“ concept of the Marvel comic books finds both limitations and new opportunities in the adaptation process and how the operational aesthetic differs in each medium.
Quotes of Quotes (XX) – The Russos on Working in the MCU
13. März 2014
Captain America: The Winter Soldier wird derzeit für die Presse gezeigt und die ersten Reaktionen sind sehr positiv – unter anderem auch, weil das Ende des Films anscheinend einige Auswirkungen auf die Zukunft des Marvel Cinematic Universe, besonders in Avengers: Age of Ultron zu haben scheint. Inzwischen haben für Age of Ultron sogar bereits die Dreharbeiten begonnen, aber schon im vergangenen Juli haben die Regisseure von The Winter Soldier, Joe und Anthony Russo, einer Gruppe von Bloggern ein Roundtable Interview gegeben, in dem sie einige interessante Aussagen dazu treffen, wie es ist, in einer fortlaufenden Continuity wie dem Marvel Cinematic Universe zu arbeiten. Joe Russo erklärt:
the fun part of that, if you are a comic book geek like me, you get off on [easter eggs and connections]. That’s the exciting component of that, “What can we set up for the future?” And they’re constantly pitching out ideas that not only just effects your movie, but might also have a ripple effect in the other films, and Joss [Whedon] is reading the scripts, the Thor script and the Cap script, and going, “Okay, this is where I’m getting the characters and this is where I have to pick them up in the next movie.” So, it’s a a weird sort of, I don’t know, tapestry of writers and directors working together to create this universe. It’s sort of organic, it’s not structured.
Das im Endeffekt doch relativ wenig fest vorgeplant ist, scheint mir interessant, vor allem, wenn man bedenkt, dass Marvel ja auch noch eine Supra-Storyline über Thanos und die Infinity Gems aufbaut. Anthony Russo ergänzt an dieser Stelle, dass ihnen ihre Erfahrung mit metatextuellen, komplexen Fernsehserien wie „Arrested Development“ und „Continuity“ „Community“ ihnen gute Voraussetzungen lieferte. (Eine Verbindung, auf die ich vor einem Jahr zum ersten Mal hingeweisen habe.)
I think it comes very natural to us […], we played with a lot of foreshadowing and callbacks and […] tracking that stuff over a season of television, or multiple seasons, it’s just something [that] we’re sort of patterned for […] It’s like we sort of understand how you take a larger story and wrangle it into a moment, yet keep them connected.
Joe Russo weist zudem explizit darauf hin, wie wichtig die zentrale Figur von Studiopräsident Kevin Feige ist, um den Filmkosmos inhaltlich wie kommerziell zusammenzuhalten. Feige fungiert also als eine Art Showrunner und passt sich somit auch perfekt ins zunehmend mythologische Konstrukt ein, das um diese Aufgabe herum gebaut wird.
If you knew how difficult it is to line up those kinds of salaries, stars, get that material pushed through, have ownership of that material, have control of that material, quality control, to the extent that he did, it’s almost impossible.
Feige selbst geht schließlich in einem anderen Interview kurz auf die Verbundenheit der MCU-Filme mit der „Agents of SHIELD“-Fernsehserie ein. Wenig überraschenderweise trumpfen hier interne Konzernstrukturen nach wie vor das kreative Gewebe.
[T]he studio is not involved in the day-to-day of the show. Jeph Loeb and the TV division is overseeing that. But of course there’s crossover. I was just in a meeting with those guys and I’m about in two minutes to go back to a meeting with those guys to hear the overall picture and to, you know, to hear their ideas and how they deal with the events and Thor and the events of the Cap. Their ideas for season two, should there be one, to make sure they lead into Avengers and don’t … the key to that show, just like they key to all the movies is that, it has to stand alone. It has – if you stripped out all the connective tissue, is it worth watching? And it has to be – and then it’s all bonus and it’s all gravy when there’s that connective tissue.
Übrigens: Erstmals seit einer Featurette auf der Avengers-DVD stellt Marvel sein Worldbuilding auch mal wieder öffentlich in den Mittelpunkt. In einem Fernseh-Special namens „Assembling a Universe“, das am 18. März auf ABC läuft. Für mich bleibt zu hoffen, dass es eine nette Seele anschließend irgendwo online stellt.
Um diese Zeit des Jahres sind Vorschau-Listen sehr populär. Ich habe mir gedacht, statt euch zu erzählen, auf welche Filme ich mich 2014 besonders freue, konzentriere ich mich auf meine Spezialthema, das auch in Continuity im Mittelpunkt stehen wird. SPOILER-WARNUNG für alle bisherigen Filme der jeweiligen Franchises.
Mit dem Marvel-Klassentreffen The Avengers, in dem die Figuren aus mehreren Filmen in einem weiteren Film aufeinandertrafen, wurde 2012 ein neuer Meilenstein in Sachen Kinofilm-Franchising gelegt. Im vergangenen Jahr hatten die restlichen Studios Zeit, sich Gedanken zu machen, ob und wie sie ihre eigenen Filmserien an das Disney-Marvel-Modell anpassen wollen. Und obwohl die nächste große Höhepunkt-Runde erst im Sommer 2015 ansteht, werden bereits 2014 einige wichtige Räder in Gang gesetzt.
Marvel Cinematic Universe
Marvel Studios hat 2014 zwei Kinofilme in den Startlöchern. Captain America: The Winter Soldier (in Deutschland The Return of the First Avenger) startet am 4. April in den USA und am 1. Mai in Deutschland. Zur Handlung verrät wohl der Titel am meisten: Der Winter Soldier ist eine bekannte Figur in den Comics – eine „umgedrehte“ Version von Steve Rogers‘ Kumpel Bucky, der ja eigentlich im ersten Captain America in eine tödliche Schlucht gefallen ist.
Interessant wird, wie sehr sich die Handlung von The Winter Soldier, in der die Auseinandersetzung mit der immer hegemonialer agierenden S.H.I.E.L.D.-Organisation eine größere Rolle spielen wird, mit dem Season Finale der Serie „Marvel’s Agents of S.H.I.E.L.D.“ interagieren wird. In „Agents“ wurde über’s Jahr ein ähnlicher Handlungsstrang aufgebaut: Entscheidungsfreiheit vs. Bevormundung – durchaus auch ein interessantes Echo der Rolle der USA in der Welt. Die Crossover-Folge von „Agents“ mit Thor: The Dark World war, um ehrlich zu sein, lachhaft, und beschränkte sich auf eine Aufräumszene mit einigen Wegwerf-Witzen in den ersten paar Minuten, aber die stärkere Rolle von S.H.I.E.L.D. in The Winter Soldier könnte attraktivere Möglichkeiten bieten.
Die wahre Integrations-Herausforderung für das Worldbuilding des MCU wird allerdings Guardians of the Galaxy, der ebenfalls in den USA einen Monat (1. August) vor dem deutschen Release (4. September) zu sehen sein wird. Einen winzigen Einblick in den farblich sehr eigenwilligen Look des Films bot der „Stinger“ am Ende von Thor: The Dark World, in dem Volstagg und Sif bei dem von Benicio del Toro gespielten Collector vorbeischauen, um den Aether bei ihm in Obhut zu geben. In der Szene wird nebenbei darauf hingewiesen, dass sowohl Aether als auch Tesseract aus den Avengers zu den sogenannten „Infinity Stones“ gehören. Comicfans erkennen hier den Bezug zu Thanos, dem geheimen Strippenzieher-Bösewicht aus den Avengers, der in den Comics versucht hat, die Infinity-Steine zu vereinen, um dem Tod den Hof zu machen.
Insgesamt hat Guardians MCU-technisch eine Menge zu leisten: Eine völlig neue Ecke des Marvel-Kosmos erschließen, den Rückbezug zu Thanos klarstellen – der in Guardians erneut als Oberbösewicht auftauchen wird und so den Über-Über-Plot vorantreibt, aber sich ansonsten durch seinen Handlanger Ronan the Accuser vertreten lässt – und irgendwie den Weg ebnen für den nächsten Avengers-Film Age of Ultron. Der kommt im Sommer 2015 ins Kino – und die Guardians, um aus Zitaten von Joss Whedon zu orakeln, werden dort erstmal noch nicht auftauchen. Ich tippe auf den Ultron-Stinger um die Verbindung herzustellen.
Seit Captain America im Sommer 2012 ist Guardians also das erste Mal, dass Marvel wirklich neue Helden einführt – und noch dazu ziemlich abgefahrene, denn zu den Guardians gehören nicht zuletzt ein Waschbär und ein Baum. Wir dürfen gespannt sein, ob der Stoff des Franchises sich an dieser Stelle einfach nur etwas weiter dehnt, oder vielleicht erste Risse bekommt. Die MCU-Serien für Netflix folgen übrigens erst 2015.
Marvel bei Fox: X-Men und Fantastic Four
Es ist erstaunlich zu sehen, wie viel den Studios mittlerweile daran liegt, ihre Figuren neu zu erfinden ohne das bisher etablierte Universum damit zu negieren. Was Paramount mit den neuen Star Trek-Filmen schon ziemlich wagemutig angeht (nicht zur Zufriedenheit aller), treibt Fox dieses Jahr mit X-Men: Days of Future Past auf die Spitze: sie inszenieren den größten Retcon der Filmgeschichte.
Es passiert immer wieder, dass Filmserien einzelne Folgen haben, mit denen man im Nachhinein nicht zufrieden ist. Bisher bestand die Lösung darin, einfach ganz am Anfang neu anzufangen, so bei Batman mit Batman Begins nach Batman und Robin, bei James Bond mit Casino Royale nach Die Another Day oder mit Spider-Man als The Amazing Spider-Man nach Spider-Man 3. Auch bei Fox schien man nach dem (nicht finanziellen aber kreativen) Misserfolg von X-Men 3: The Last Stand diesen Weg zu gehen und legte mit X-Men: First Class zunächst eine Origin-Story der Mutanten-Truppe vor. Irgendjemand, vielleicht sogar Regisseur Bryan Singer selbst, muss dann aber die Idee gehabt haben, dass man die Ereignisse von The Last Stand ja durch eine Zeitreise ungeschehen machen könnte.
Mit anderen Worten: Es wird ein kompletter, sehr teurer Film inszeniert, der eigentlich nur das Ziel hat, bisher als „gesetzt“ geltende Ereignisse in Zukunft ignorieren zu können. In Days of Future Past, der anscheinend nur sehr grob den Ereignissen des Comic-Erzählstrangs von 1981 orientiert ist, müssen die überlebenden X-Men aus The Last Stand mit ihren jüngeren Versionen aus First Class-Kontakt aufnehmen, um diese auf einen neuen Pfad zu setzen. Im Grunde also das gleiche, was Spock im neuen Star Trek macht, nur das hier nur die „Seele“ von Wolverine durch die Zeit reisen wird, um sich in seinem jüngeren Ich zu manifestieren. Der nächste X-Men-Film ist auch bereits in Planung: X-Men: Apocalypse soll 2016 kommen und vermutlich der „alten“ Riege um Patrick Stewart und Ian McKellen ein zufriedenstellenderes Ende bescheren.
Fox hält neben X-Men außerdem die Rechte an den Fantastic Four, die 2015 einen Reboot bekommen sollen. Das Studio hat ein Gerücht, dass die beiden Universen schon bald aufeinandertreffen sollen, vor ein paar Tage dementiert, aber es könnte auch gut sein, dass sie erstmal abwarten, wie Days of Future Past und die Konkurrenz bei Sony sich so schlägt.
Marvel bei Sony: Das neue Spider-Man-Universum
Während man bei Fox lieber noch eine Weile die Füße stillhält und erstmal versucht, die X-Men zu retten, gibt man sich bei Sony mutiger, obwohl man dort an wesentlich weniger Helden-Charakteren die Rechte hält. Mitte Dezember gab das Studio bekannt, dass The Amazing Spider-Man 2: The Rise of Electro, der am 17. April in Deutschland und am 2. Mai in den USA startet, den Auftakt für ein größeres Franchise-Universum bildet, dass sich hauptsächlich an den Spider-Man-Bösewichten entlang hangeln soll.
Erster Schritt ist die bereits erfolgte Formation eines sogenannten „Franchise Brain Trust“. Die Rolle die bei Disney-Marvel also Kevin Feige und Joss Whedon zufällt, das Zusammenhalten des Story-Gefüges und die Abstimmung der Filme untereinander, ruht hier auf den Schultern des Kreativ-Teams hinter Rise of Electro – Regisseur Marc Webb, die Drehbuchautoren/Produzenten Alex Kurtzman, Roberto Orci (die auch bereits Star Trek rebooteten) und Jeff Pinkner – sowie der weiteren Autoren Ed Solomon (Men in Black) und Drew Goddard (Cabin in the Woods). Zweiter Schritt soll ein Venom-Film sein, den Kurtzman mit Solomon schreibt und selbst inszenieren will und ein Film über die „Sinister Six“, der in den Händen von Drew Goddard liegt.
Wie Gerold von „DigitaleLeinwand“ auf Facebook richtig bemerkte, erinnert die Konstellation an den „Writer’s Room“ bei TV-Serien, bei dem Autoren die Drehbuch-Rohfassungen einzelner Episoden gemeinsam mit den restlichen Autoren in einem iterativen Prozess finalisieren. Das Prinzip dürfte sowohl Kurtzman und Orci, als auch Goddard aus ihrer langjährigen TV-Erfahrung bei J. J. Abrams Produktions-Schmiede Bad Robot bekannt vorkommen.
Daten für die beiden neu angekündigten Filme gibt es noch nicht, allerdings sind bereits weitere Spider-Man-Teile für 2016 und 2018 angekündigt, zwischen die sie sich dann wohl quetschen werden. Interessant wird es sein, zu sehen, ob in Rise of Electro bereits erste Leinen in Richtung der Bösewicht-Filme ausgeworfen werden und ob Figuren aus den Spider-Man-Filmen etwa in Venom auftauchen werden. Klingt jedenfalls, als hätte man hier ein Modell gefunden, das sich am MCU orientiert, aber in den Begrenzungen, die Sony rechtemäßig auferlegt sind, trotzdem anders funktionieren könnte. Was lang angelegte Pläne wie diese außerdem bedeuten: die Hoffnung, dass Spider-Man in näherer Zukunft zu Marvel-Disney „nach Hause“ wandern könnte, dürfte sich erledigt haben.
Mittelerde
Im Dezember 2014 wird The Hobbit: There and Back Again den Schlussstein unter die sechsteilige Peter-Jackson-macht-in-Tolkien-Saga setzen, die 13 Jahre zuvor mit The Fellowship of the Ring begann. Es gäbe zwar in Mittelerde noch eine Menge andere Geschichten zu erzählen, die Welt hat eine 3000-Jährige Geschichte, doch Tolkiens Erben haben klar gemacht, dass sie die Rechte am „Silmarillion“ und ähnlichen Schriften, niemals verkaufen werden – was schon im Hobbit zu einigen Dialogverrenkungen führte.
Wie sehr Jackson vom Worldbuilding-Franchise-Floh gebissen wurde, zeigte sich in The Desolation of Smaug fast noch deutlicher als in An Unexpected Journey. Begnügte sich der erste Teil der Reihe noch mit einem Intro, dass die Handlungsstränge der Hobbitfilme mit ihren Vorgängern verknüpfte, wurden für Smaug ganze Figuren aus der einen in die andere Filmserie transportiert, die dort laut Vorlage eigentlich gar nicht sein sollten. Für There and Back Again bleibt gar nicht mehr viel Handlung übrig, es dürfte vor allem viel gekämpft werden, aber es wird interessant sein zu sehen, wie Jackson den Film beendet und die Klammer zu den 60 Jahre später spielenden Herr-der-Ringe-Filmen schließt.
Und nachdem ja schon der „Hobbit“ wesentlich freier adaptiert wurde als der „Herr der Ringe“ ist – allen Beschränkungen zum Trotz – natürlich nicht ausgeschlossen, dass Warner/MGM sich irgendwann überlegen, weitere Spinoffs in Auftrag zu geben. „Die Abenteuer des jungen Gimli“, anyone?
DC Universum
Bei DC wird, ebenso wie bei Star Wars, 2015 das große Jahr. Der noch immer unbetitelte Superman/Batman-Crossover-Film soll im Juli die Kinos erobern und nicht nur Clark Kent aus Man of Steel auf einen gealterten Batman, gespielt von Ben Affleck, treffen lassen, sondern auch einen weiteren Pflock auf dem Weg zu einem größeren DC-Filmuniversum in den Boden rammen. Anders lassen sich weder die geplante Anwesenheit von Wonder Woman noch die anderen Anspielungen auf ein größeres Universum in Man of Steel erklären. Das ultimative Ziel wäre dann ein Justice-League-Film. Aber bis dahin dürfte es noch etwas dauern.
Interessanter für 2014 dürfte sein, ob DC sich entscheidet, das Man of Steel-Universum tatsächlich mit dem der äußerst erfolgreichen CW-Fernsehserie Arrow zu integrieren, wie es sich viele Fans wünschen. Warner Bros. steht rechtemäßig hinter beidem. Die Fusionierung wäre also theoretisch möglich, allerdings wurde von den Verantwortlichen bisher immer bestritten, dass eine Kooperation geplant ist. Diagnose: unwahrscheinlich.
Und sonst …
DreamWorks leistet sich 2014 eine interessante Franchise-Fortsetzung. How to train your Dragon 2 lässt seine Charaktere, ungewöhnlich für einen Trickfilm, deutlich ein paar Jahre altern – und scheint sich ansonsten, der Trailer verrät es, eine Scheibe von The Empire Strikes Back abzuschneiden.
Jack Ryan: Shadow Recruit führt im Februar mit Chris Pine den insgesamten vierten Schauspieler ein, der Tom Clancys legendäre Figur spielt. Sollte der Film, der ebenfalls eine Art Origin Story zu haben scheint, erfolgreich sein, wird man Pine sicher die Gelegenheit geben, die Rolle erneut auszufüllen. Damit wäre er nach Harrison Ford der erste Schauspieler, der mehr als einmal Jack Ryan war – und ein „neues“ Action-Franchise geboren.
300: Rise of an Empire wird sich als Prequel sicherlich bemühen, nicht nur in Titel und Look Bezüge zum Original-300 herzustellen. Bibi & Tina – der Film scheint nicht im gleichen Universum zu spielen wie der erste Bibi Blocksberg-Film von 2002, da keine Schauspieler ihre Rollen erneuern. Dawn of the Planet of the Apes wird versuchen, seinem Vorgänger Rise of the Planet of the Apes zu folgen ohne den Original-Filmen aus den 70ern zu widersprechen. Und die große Frage bleibt: Wie viele Gastauftritte wird wohl der zweite Spinoff des Cars-Universums Planes: Fire and Rescue haben?
Die Länge dieses Artikels zeigt jedenfalls: Es werden derzeit einige neue Universen gebaut. Und auch wenn sich deren Einsatzgebiet nach wie vor hauptsächlich im Comic-Bereich bewegt, würde ich mal voraussagen, dass es nur noch eine Frage der Zeit ist, bis irgendjemand das gleiche Prinzip auch in anderen Genres anwenden wird.
Wenn mich ein Thema umtreibt, aber ich mich nicht für fähig halte, alleine darüber zu reflektieren, suche ich mir einen Gesprächspartner. Zum Stand des „Marvel Cinematic Universe“ erschien mir Matthias Hopf die perfekte Wahl. Matthias hatte schließlich in seinem frisch relaunchten Blog „Das Film Feuilleton“ gerade erst eine Abrechnung mit dem Status von Marvels großem Transmedia-Experiment veröffentlicht, das sich inzwischen, nach dem Start von Thor: The Dark World und der ABC-Serie Marvel’s Agents of S.H.I.E.L.D. mitten in der sogenannten Phase 2 befindet. (Leichte Spoilerwarnung für alle MCU-Filme bis einschließlich The Dark World)
Alex: Iron Man 3 und The Dark World sind an den Kinokassen extrem erfolgreich. Agents of S.H.I.E.L.D. hat ordentliche Quoten. Aber, Matthias, wenn ich das richtig verstanden habe, bist du von der Phase 2 des „Marvel Cinematic Universe“ enttäuscht, oder?
Matthias: Obwohl ich mich vor ein paar Monaten mit Iron Man 3 noch bestens unterhalten gefühlt habe, ist die Begeisterung für Phase 2 momentan auf ihrem bisherigen Tiefpunkt meinerseits angelangt. Natürlich verfolge ich immer noch mit viel Interesse die aktuellen Entwicklungen hinsichtlich verheißungsvoller Querschläger wie James Gunns Guardians of the Galaxy, Edgar Wrights Ant-Man und auf Captain America: The Winter Soldier freue ich mich nach dem großartigen ersten Teil sowieso – allerdings ist rückblickend betrachtet in der zweiten Runde bisher sehr wenig Nachhaltiges passiert. Sowohl Iron Man 3 als auch Thor: The Dark World haben sich zugunsten kurzweiliger Blockbuster-Unterhaltung irgendwo im Nirgendwo des Mikrokosmos verlaufen, stets darauf bedacht, einander nur in puncto Gigantomanie zu übertreffen. Auch mit Agents of S.H.I.E.L.D. bin ich bis dato noch nicht so richtig warm geworden. Vieles läuft auf Autopilot, die mittlerweile etablierten Mechanismen greifen routiniert ineinander und am Ende rattert ein Standardprotokoll durch, das die wichtigsten Brotkrumen für den noch bevorstehenden Ausbau des filmgewordenen Comic-Universums streut. Vielleicht ist das gar nicht so schlecht. Dennoch bin ich der Meinung, dass Phase 2 bisher viel Potenzial unangetastet gelassen hat und die bisherigen Vertreter eher unbeholfen auf dem schmalen Grat zwischen Eigenständigkeit und Franchise-Abhängigkeit balanciert sind.
Alex: Ich glaube ich stimme durchaus mit dir in der ein oder anderen Sache überein, aber lass mich einfach mal pro forma zum Advocatus Diaboli werden und die Sachen eine nach dem anderen durchgehen. Iron Man 3 zum Beispiel hat Iron Man doch quasi neu erfunden, das war doch sein großer Punkt. Tony ist relativ viel ohne Anzug unterwegs und der Film dreht sich nicht um eine so mechanistische Rivalität wie die ersten beiden Filme, sondern es ist persönlich. Dazu kommt dieser clevere Twist mit dem Mandarin und einige andere politische Seitenhiebe wie der Iron Patriot. Was kann man mehr wollen?
Matthias: Die Neuerfindung von Tony Stark/Iron Man war an und für sich ein schöner Gedanke. Sowohl die Ereignisse in The Avengers als auch die eigenen Selbstzweifel sind stimmig zusammengelaufen, bis Shane Black außer den obligatorischen Ansagen – gebrochener Ritter ohne Rüstung – nichts mehr eingefallen ist. So eine richtige Charaktervertiefung war das nicht wirklich – eher ein Best of der Dinge, die wir an Tony Stark lieben. In ein paar Szenen blickt er sogar selbstkritisch in die Kamera, um sich schließlich wieder als Iron Man zu bekennen. Am Ende schließt sich also ein Kreis. Leider ist dieser Kreis auch nur ein überschaubarer. Sprich: Die Entwicklung des titelgebenden Protagonisten wurde mit lobenswerten Ansätzen eingeleitet, aber nicht sonderlich einfallsreich und konsequent durchgezogen. Eigentlich ärgerlich, dass Iron Man, trotz seines mittlerweile dritten Solo-Abenteuers, dem Figurentypus Superheld im 21. Jahrhundert keine neuen Facetten abgewinnen kann. Der Mandarin-Twist hingegen hat mir gut gefallen. Zumal er aus den eintönigen Marvel-Antagonisten heraussticht – selbst wenn nach der Enthüllung die politischen Seitenhiebe schnell im Spektakel der explodierenden Iron Legion untergegangen sind.
Alex: Oh, da hat am Ende definitiv zu viel gekracht. „How it should have ended“ hat doch sehr schön aufgeführt, warum diese Materialschlacht am Schluss sowieso völliger Blödsinn ist. Aber ich würde dir wirklich widersprechen, dass keine neuen Facetten offengelegt wurden. Klar, der Mythos vom Selfmade-Man wird weiter vorangetrieben und so weiter, aber ich hatte auch das Gefühl, dass der Charakter in Filmform auserzählt war. Eine radikale Abkehr vom bisherigen hätte ich sehr merkwürdig gefunden – man darf ja auch nicht vergessen, dass das Blockbusterkino ein paar Zugeständnisse verlangt, wie ein serielles Comic eben auch. Bei Thor: The Dark World, den ich ja vor allem ganz schrecklich uninspiriert inszeniert fand, fand ich die Weiterentwicklung zwar sichtbar – Thor macht eigentlich eine gute Persönlichkeitsreise durch und ist am Ende eben eigentlich weiser als sein weiser Vater, aber dafür war alles andere irgendwie so konfus. Ein ganz typisches Sequel, irgendwie, so wie Iron Man 2 – mehr ist mehr ist mehr – und dabei gerät die Beziehung zwischen Jane und Thor zum Beispiel völlig unter die Räder. Am Anfang wird ein Liebesdreieck mit Sif angedeutet, das dann einfach ignoriert wird. Ein ziemliches Kuddelmuddel, das Drehbuch, in der Hoffnung, alle zufriendenzustellen. Ist es das, was dich auch gestört hat oder Anderes?
Matthias: „Ganz schrecklich uninspiriert inszeniert“ und „Kuddelmuddel“ sind schon ganz passende Umschreibungen. Da greift sogar der Iron Man 2-Vergleich, denn der war ein ganz schlimmer Franchise-Bastard – irgendwo zwischen Fortsetzung und Vorbereitung, aber in sich kein runder Film. Auch The Dark World schwankt unglücklich auf dem schmalen Grat dieser Ausrichtung. Letzten Endes war Alan Taylor diesem Balanceakt wohl kaum gewachsen. Am besten lässt sich das Tohuwabohu als willkürliches Stückwerk beschreiben, das erschreckend unmotiviert angerichtet wurde. Die von dir angesprochene Entwicklung hinsichtlich Thors Werdegang habe ich zwar entdeckt, so richtig mitgenommen hat mich das Schicksal des Donnergotts allerdings nicht. Der Film macht es einen dadurch, dass er unkontrolliert von Schauplatz zu Schauplatz springt und dem Zuschauer eine Handlung nach der anderen zeigt, regelrecht unmöglich, sich in die Thematik hineinzudenken. Selbst wenn mir einzelne Passagen aufgrund ihrer Stimmung und der zweifelsohne vorhandenen Dynamik im Ensemble gefallen haben, ist mir immer noch unklar, warum wer in welcher herum gehüpft ist. Zudem hatte ich oft das Gefühl, dass sich The Dark World ein bisschen für den eigenen Mikrokosmos schämt. Soll heißen, dass er es nicht wirklich ermöglicht, die vielen fantastischen Welten und Abenteuer zu entdecken und zu erleben. Alles wirkt wie ein kalkulierter Haufen aus dem großen Marvel-Topf: Austauschbar und uninspiriert. Und am Ende funktioniert er als Bindeglied genauso unausgegoren. Oder wo würdest du Thor: The Dark World (und die Rolle von Iron Man 3 und Agents of S.H.I.E.L.D.) im Marvel Cinematic Universe positionieren?
Alex: Ich muss zugeben, dass ich – egal wie unausgegoren die einzelnen Teile zum Teil wirken mögen – immer noch in Ehrfurcht vor dem großen Puzzle erstarre, das Kevin Feige und die Leute bei Marvel versuchen, zusammenzusetzen. Der Teaser nach den Main-on-End-Credits in The Dark World deutet an, dass das Ganze Konstrukt auf diese Infinity Gem-Geschichte hinausläuft, von der ich schon viel gehört habe. Auf diese Weise, in vielen kleinen Puzzlestücken, am Ende ein gigantisches Bild zusammenzusetzen, das ist schon etwas besonderes und ich hoffe sehr, dass sie auch dazu kommen, es zu vollenden und nicht vorher bankrott gehen. Wenn man noch die Tie-in-Comics zu den Filmen hinzunimmt, die streng genommen Teil des MCU sind, erklären sich zudem einige Lücken, die die Filme haben. Insofern bin ich bereit, bei den einzelnen Elementen Zugeständnisse zu machen. „Agents of S.H.I.E.L.D.“ ist sicherlich kein Meisterstück des dramatischen Erzählens im Fernsehen, aber ich weiß auch nicht, ob es das wirklich sein will. Die Serie ist ein Monster-of-the-Week-„Procedural“ wie es im Buche steht und die Charaktere wirken alle auf den ersten Blick relativ flach und bekommen erst im Laufe der Zeit ein bisschen Hintergrundgeschichte verpasst. Aber sie ist eben sehr plotgetrieben und deswegen muss sie wohl so funktionieren, schätze ich. Ich bezweifle sehr, dass die Whedons und Maurissa Tancharoen sich an Mad Men und Breaking Bad orientiert haben – und wenn wir ehrlich sind war Buffy anfangs und selbst Firefly (so sehr man es auch mythologisieren mag) nicht viel anders. Firefly war toll, weil es so Genre-bending war, aber die Charaktere waren jetzt auch kein Exempel für besonderen Tiefgang – zumindest nicht mehr als ihre Konterfeis in Agents of S.H.I.E.L.D.. Wenn es dann aber gelingt, wie in der für nächste Woche angekündigten S.H.I.E.L.D.-Folge einen Crossover mit The Dark World hinzukriegen, der wieder mal aufzeigt, dass das Universum, in denen sich diese Charaktere bewegen, größer ist als der Rahmen ihrer kleinen Fernsehserie, dann finde ich das einfach verdammt cool. Für Netflix wurden jetzt schon die ersten beiden Serien angekündigt und dieses Universum wird immer weiter wachsen. Das beeindruckt mich so sehr, dass ich dafür bereit bin, ein paar Flachheiten in Kauf zu nehmen. Zumal der Season-Plot für Agents of S.H.I.E.L.D. und der Trailer von Captain America: The Winter Soldier andeuten, dass eines der großen Themen von Phase 2 die Umkehrung der Rolle von S.H.I.E.L.D. sein könnte, die ja auch in den Avengers schon anklang – sie sind eben nicht uneingeschränkt die „Good Guys“ und vielleicht müssen sich die Superhelden im Endeffekt gegen S.H.I.E.L.D. wenden. Das wäre eine Wendung, die mir gefallen würde. Was wünscht du dir denn am ehesten für die Fortsetzung des MCU?
Matthias: Ich bin hin und her gerissen: Einerseits wäre es mal wieder klasse, einen in sich stimmigen Film aus dem Marvel Cinematic Universe zu sehen. Auf der andererseits will ich jedoch auch mehr Vernetzung, da es aktuell vermutlich in keinem anderen Mikrokosmos derartige Möglichkeiten zur Interaktion auf der großen Leinwand gibt. Ich schließe nicht aus, dass beide Ansprüche in einem Film realisierbar sind – immerhin hat Joss Whedon in den Avengers mit seiner federleichten Regieführung demonstriert, wie die Essenz eines Comic-Universums in Filmform am besten funktionieren kann. Dennoch liest sich hinsichtlich solcher Erwartungen ein Film wie Thor: The Dark World als schlampiger Flüchtigkeitsfehler, der definitiv vermeidbar gewesen wäre. Außerdem: Mehr Experimentierfreude, Marvel und Disney! Die Marke ist etabliert und die Einspielergebnisse stimmen immer noch. Lasst bitte James Gunn und Edgar Wright ihre eigene Virtuosität mitbringen und ihre eigene Vision verwirklichen – selbst wenn dabei so ein schräger respektive erfrischender Film wie Kenneth Branaghs Thor herauskommt. Es wäre schade, wenn fortan jegliche Comic-Verfilmung als berechenbares Kalkül in die Kinos stürmt und im Grunde bereits seit dem ersten Trailer nichts Ergänzendes mehr zu erzählen hat. Wo, wenn nicht im Marvel Cinematic Universe, ist es denn momentan möglich, das Superheldentum von derartig vielen Seiten zu beleuchten und in all seinen Facetten zu präsentieren? Vor allem wenn parallel dazu vier Netflix-Serien inklusive zusammenführender Miniserie entstehen. Hier gibt es sowohl Platz für mitreißende Abenteuer als auch für die tiefgreifende Reflexion des eigenen Genres.
Alex: Auf „Mehr Experimentierfreude“ kann ich mich einigen. Marvel hat schließlich schon einmal etwas gewagt, als sie Tony Stark am Ende von Iron Man „I am Iron Man!“ sagen ließen und nach den Credits Nick Fury aus dem Hut zogen. Vielleicht ist das, was wir im Moment sehen, jetzt die Konsolidierung nach dem großen Experiment The Avengers. Ich hoffe mal, dass es spätestens mit Guardians of the Galaxy wieder nach vorne ruckt im MCU.
Matthias: Die spannende Frage ist, ob Marvel und Disney den Blick über den eigenen Tellerrand wagen und über ihren eigenen Schatten springen. Wenn allerdings eine Autorin wie Melissa Rosenberg engagiert wird, um die Marvel-Heldin Jessica Jones in ein serientaugliches Gewand zu pressen, muss ich leider zugeben, dass ich wenig optimistisch bin. Nicht zuletzt ist Rosenberg beispiellos daran gescheitert, Stephenie Meyers fragwürdigem Frauenbild in ihren Twilight-Adaptionen etwas Lobenswertes entgegensetzten. Mit solch einem Gedanken soll unser Gespräch allerdings nicht enden: Auf den Wintersoldat und allem, was dazugehört, freue ich mich wie verrückt!
Zum Start von Thor: The Dark World waren Matthias und ich natürlich nicht die einzigen, die sich Gedanken über den Stand der Dinge gemacht haben. Ein weiteres Gespräch zum Thema findet sich bei „The Dissolve“ und Devin Faraci hat bei „Badass Digest“ mal einen Vergleich mit DCs Aussichten gewagt.
Return of Whatever – Die Titelentscheidungen von Marvel Deutschland
24. Oktober 2013
Badesalz kennt wahrscheinlich außerhalb Hessens kaum noch jemand. Das dritte Album des Frankfurter Comedy-Duos, auf dem Höhepunkt ihres Erfolges 1993, hieß jedenfalls „DIWODASO“. Was wie Kauderwelsch wirkt, entpuppt sich bei näherem Hinsehen als der Mittelteil eines Satzes: „Ich hätt gern die Platt von dene zwei, diwodaso Spass mache, habbe sie die?“ – Wie schafft die Comedy das bloß immer, so prophetisch zu sein?
In diesem Fall prophetisch in Bezug auf die äußerst merkwürdige Titelpolitik von Disney Deutschland, bzw. Marvel Deutschland – oder welche Ebene dort auch immer die Entscheidungen trifft. Es geht mir nicht einmal um die pseudo-witzigen behämmerten Titel der Trickfilme, das haben andere bereits getan, sondern um die Betitelung der Marvel Cinematic Universe-Filme, die sich nur mit sehr viel Hirnverbiegung erklären lässt.
Ich weiß, ich sollte mich dazu gar nicht mehr äußern. Und es sei auch gnädig geschenkt, dass Thor: The Dark Kingdom überall außer in Deutschland Thor: The Dark World heißt. Laut Presseagentur steht ein Titelschutzproblem dahinter, wobei ich immer noch das Original-Werk suche, das den Titel versperrt. The Avengers hieß in Großbritannien auch Avengers Assemble um Verwechslungen/Rechtsstreitigkeiten mit gewissen beschirmten, charmanten Melonenträgern zu vermeiden. Sowas passiert.
Aber was bitteschön soll das?
Ich fand es ja von Marvel damals einen einigermaßen mutigen Move, überhaupt einen Captain-America-Film zu machen. Bei allem, was man darüber liest, wie wichtig die ausländischen Märkte für Hollywood geworden sind; in Zeiten, in denen für Iron Man 3 Extra-Szenen für die chinesische Fassung gedreht werden – macht man einen Film über einen Superhelden, der den „American Way“ in die Welt trägt und der sogar Captain America heißt. Und dann macht man noch einen Film mit ihm, in dem er der Anführer der Avengers wird. Das hat schon was. Und bei all dem latenten und überhaupt nicht latenten Anti-Amerikanismus, der außerhalb Amerikas herrscht, ist es dann auch kein Wunder, wenn ein teutonisch angehauchter Film wie Thor in Deutschland 11 Millionen Euro einspielt und Captain America nur drei.
Aber kann man wirklich daraus schließen, dass man nur den Titel ändern muss, um diese Balance auszugleichen? Für wie blöd muss man sein Publikum halten, um davon auszugehen, dass es eher auf das Wort „Avenger“ anspringt, als sich daran zu erinnern, dass der Typ mit dem Sternenschild in den Avengers mitgespielt hat? (Gibt es Leute, die Avengers zwar nicht gesehen haben, aber in den nächsten Film reinrennen würden, wo „Avenger“ draufsteht?) Dass es sich eher an den Untertitel von Captain America erinnert („The First Avenger“), als an den Haupttitel? Und warum überhaupt „Return“? Der Captain war doch nie weg …
Ich habe großes Verständnis für Marketing-Entscheidungen. Produkte sollen sich verkaufen und dafür muss der Kunde sie verstehen. Aber den Namen eines Filmhelden hinter einem dämlichen, umständlichen deutschen Titel zu verstecken, DER DANN NOCH NICHT EINMAL IN DEUTSCHER SPRACHE IST, da hört mein Verständnis auf. Wahrscheinlich könnte mir die Marketing-Abteilung von Disney Deutschland sogar zeigen, dass sie Tests mit verschiedenen Titeln gemacht haben und dass dieser bei den Publikumsschafen am besten ankam – aber dennoch: „DIWODASO“ kann doch nicht die Lösung sein.
Ich bin entsetzt, dass ausgerechnet Disney, eine Firma, die sonst weltweit wie ein Luchs darauf achtet, dass ihre Marken erhalten bleiben – sich sogar als Studio eine eigene Übersetzungs- und Synchro-Division leistet – solche albernen Sperenzchen mitmacht, über die sich in ein paar Jahren noch alle mokieren und ärgern werden. Es wird doch wohl NIEMAND in der Zukunft diesen Film „The Return of the First Avenger“ nennen. Es hätte ja nicht The Winter Soldier bzw. „Der Wintersoldat“ sein müssen. Es hätte doch andere Möglichkeiten gegeben, und wenn es nur eine „2“ gewesen wäre.
Bitte, Disney, bitte bitte bitte, packt den Zynismus ein und nehmt Vernunft an. Zeigt Integrität gegenüber euren eigenen Marken. Sie haben es sich verdient.
P.S.: Bonustrack
Jon Negronis „Pixar Theory“ sorgte vor gut anderthalb Monaten für einigen Aufruhr unter den Menschen, die im Internet über Film schreiben. Wer den ursprünglichen Post – oder eine seiner Visualisierungen – nicht gelesen hat, sollte das gerne jetzt tun (es lohnt sich). Die Kurzform ist, dass Negroni die Gesetzmäßigkeiten – etwa den Grad der Anthropomorphisierung – in den individuellen Pixar-Filmen mit den Easter Egg-Querverweisen kombiniert, welche die kreativen Köpfe von Pixar in jeden Film verstecken, um daraus eine völlig hanebüchene, aber in ihrer Schlüssigkeit bestechend logische Theorie abzuleiten. Diese besagt, dass alle Pixar-Filme im gleichen Universum, auf unterschiedlichen Punkten eines Zeitstrahls spielen, in dessen Verlauf diverse Mutationen die Welt verändert haben.
Kein Aufruhr ohne Gegenwehr. Die von mir sehr geschätzten Kollegen von „ANIch“ und ihr Landsmann Owley schlugen in einem Posting deutlich genervte Töne anlässlich des Hypes um Negroni an. Real Virtuality ist außerdem mindestens ein weiterer deutschsprachiger Blogger namentlich bekannt, der bereits beim Erwähnen der Pixar Theory wütend wird.
Ein Hauch von Third-Person-Effekt
Ich will mich nicht zu sehr aus dem Fenster lehnen, doch in solchen Momenten weht ein Hauch von Third-Person-Effekt durch die Blogosphäre – die Angst, dass Andere, weniger Eingeweihte, das sorgfältig konstruierte Verschwörungskartenhaus für bare Münze nehmen könnten, und dass man folglich bis ans Ende seiner Tage auf Parties darauf angesprochen wird, sobald herauskommt, dass man was mit Film macht. Eine kurze Twittersuche zeigt, dass – wie bei einem guten Zaubertrick – das Gros des Pöbels sich jedoch eher vor der Konstruktion verneigt, sich höchstens wünscht, dass es stimme und von Anfang an geplant wurde.
Auch Nachahmer hat die Pixar Theory gefunden. Josh Butler veröffentlichte am vergangenen Sonntag die Disney-Theorie nach dem gleichen Prinzip, ging dabei aber schon weit weniger ernsthaft zur Sache („[E]ither Bambi’s mother can travel through time or deer just have a similar look in the Disneyverse“).
Die Freude der Verschwörungstheorie
Hinter der Pixar Theory steckt (außer der Freude am Konstruieren einer absurden Verschwörungstheorie – die wie alle Verschwörungstheorien nur funktioniert, indem man riesige Gegen-Hinweise ignoriert und kleinste Details zu großen Beweisen hochjazzt) aber auch der Wunsch vieler Fans, egal wie fanatisch sie wirklich sind, ihre konsumierten Geschichten in einem großen Ganzen zu vereinen. Sei es, um ihren Seherfahrungen eine Gesamtkohärenz zu geben, oder um zumindest die winzige Möglichkeit offen zu lassen, dass ihre Lieblingscharaktere sich einmal im gleichen Universum begegnen könnten.
Eine grandiose, epische Parodie auf diesen Vereinigungswunsch bot vor kurzem eine „Parks and Recreation“-Folge in der Patton Oswalt seinen Plot für Star Wars Episode VII vorstellte, in dem unter anderem die Crew der Enterprise, die X-Men und der Infinity Gauntlet aus dem Marvel-Universum Platz finden. Und auf der diesjährigen ComicCon sah sich Grumpy Old Man Harrison Ford, gekommen um Ender’s Game zu promoten, zum x-ten Mal mit dem gleichen Phänomen konfrontiert, als ihn ein Fan am offenen Mikrofon fragte, was sich wohl Han Solo und Indiana Jones zu sagen hätten, würden sie sich treffen. Ford antwortete wortlos und irgendwo zwischen echter und gespielter Entnervtheit.
Lang erwartete Gipfeltreffen
Dabei sind wir wahrscheinlich so nah dran, diese Frage zu beantworten, wie noch nie. Denn die Medienlandschaft hat begonnen, sich von einfachen TV-Crossovers aus den Zeiten von „General Hospital“ zu verabschieden, und komplexere Standoffs zu inszenieren. Das Marvel Cinematic Universe und dort insbesondere der erste Gipfeltreffen-Film The Avengers bot genau das, worauf Fans seit Jahren warten, und zum Teil auch genau deswegen. „Wir wollen doch alle wissen, was passiert, wenn Thors Hammer auf Captain Americas Schild trifft„, lautete das Diktum. Also wurde eine Szene in den Film eingeflochten, in der genau das passiert. Nicht zur Zufriedenheit aller, natürlich.
DC bemüht sich nun, sein eigenes Verse endlich auf die große Leinwand zu bringen und lässt 2015 direkt ihre beiden Titanen, Batman und Superman, in einem Film aufeinandertreffen – wahrscheinlich der größte Geek-Gipfel seit Star Trek: Generations. Schon gehen die Spekulationen los, ob die DC-Serie „The Arrow“ sich eventuell in das Man of Steel-Universum integrieren lässt. Und Bryan Singer orchestriert für Fox den größten Retcon der Kinogeschichte, wenn er in X-Men: Days of Future Past die jungen und alten Versionen der X-Men durch die Zeit reisen lässt, mit dem erklärten Ziel, Bret Ratners X-Men: The Last Stand ungeschehen zu machen.
Disney spielt uns in die Hände
Wenn man ehrlich ist, ist die Walt Disney Company gar nicht so weit davon entfernt, den Pixar- und Disney-Theorien indirekt in die Hände zu spielen. In den Disney-Parks bewohnen die Figuren längst ein für sie konstruiertes Universum (der geplante „Magic Kingdom“-Film scheint derzeit wieder im Schrank verschwunden zu sein) und Konzepte wie das jüngste Videospiel-Unternehmen Disney Infinity laden ebenfalls dazu ein, die Schöpfungen von hunderten unterschiedlichen Individuen, die jedoch seit 90 Jahren unter einem Markennamen veröffentlicht werden, als Bewohner eines gemeinsamen Weltanschauungs-Universums zu begreifen.
Wir sehnen uns also einerseits nach Einheitlichkeit, Ordnung, klaren Regeln und Autorität (schließlich könnten wir uns das Aufeinandertreffen unserer Helden ja auch einfach in einer Fanfic selber überlegen und wissen über die zu bedenkenden Faktoren wahrscheinlich deutlich mehr als der Schauspieler, der sie vor dreißig Jahren gespielt hat), andererseits nach der Möglichkeit zur endlosen Spekulation und Ausgestaltung. Moderne Story- und Markenuniversen, die in ihrer Konzeption inzwischen manchmal vor dem ersten Drehbuch stehen geben uns genau das. Ist es da nachvollziehbar, dass in dem ein oder anderen der Wunsch erwacht, die gleiche Perfektion auch älteren Entitäten überzustülpen? Dahinter steckt schließlich nur der Drang, die Fiktion genauso kohärent zu gestalten wie die Realität.
Ich würde gerne mal verschiedene Spielberg-Filme ineinanderfalten und einen greisen Indiana Jones in den Jurassic Park schicken, oder nach seinen Erfahrungen in Crystal Skull als Experte in Close Encounters auftauchen sehen. Was denkt ihr, welche Filmografien eignen sich noch dazu, in einem gemeinsamen Universum vereinigt zu werden?
Star Wars – Ein Flächenbrand
20. Mai 2013
Schon in gut zwei Jahren wird J. J. Abrams‘ neue Star Wars-Episode über uns hereinbrechen. Worum es gehen wird, was passiert, darüber schweigt sich Abrams, der gerade Star Trek Into Darkness promotet, derzeit noch aus. Der Ball sei ihm gerade erst zugespielt worden, da könne man noch nicht viel über die Aufstellung erzählen.
Auf „The Wrap“ fand sich diese Woche ein sehr interessanter Artikel, der erzählt, dass Abrams Star Trek gerne in ein „multi-platform experience that spanned television, digital entertainment and comic books“ verwandelt hatte. Daran gehindert wurde er dadurch, dass die Merchandising-Rechte des Gesamtkonstrukts Star Trek zwischen zwei Firmen, CBS (Originalserie) und Paramount (Filme), aufgeteilt sind – und beide sich schwer tun, an einem Strang zu ziehen.
Die Konsequenz folgt natürlich auf dem Fuße:
As for Disney’s grand „Star Wars“ plan, it’s sounding an awful lot like the one Abrams once envisioned for „Star Trek.“ There will be television properties, theme park rides and spin-off films all centered around the new trilogy that Abrams will oversee.
Ambivalente Gefühle
Sascha hat die ambivalenten Gefühle bereits aufgeschrieben, die sich in einem reflektierten Fan ausbreiten, wenn er daran denkt, in spätestens zwei Jahren auf allen Kanälen permanent mit Star Wars bombardiert zu werden. Ein Film pro Jahr, Spin-Offs, Comics, Fernsehen und und und. Ein Flächenbrand enormen Ausmaßes und ohne absehbares Ende.
Das Marvel Cinematic Universe, ebenfalls bei Disney, funktioniert im Grunde ähnlich und wird an dieser Stelle von mir immer wieder gefeiert. Zwei Filme pro Jahr, eine Fernsehserie, Comics, Spielzeug und Merchandising sowieso. Ein Musterbeispiel an transmedialem Storytelling. Auch Lord of the Rings und jetzt der Hobbit fahren einen Film pro Jahr auf, mit jeder Menge Brimborium drumherum. Doch irgendwie fühlt sich das Ganze trotzdem anders an.
Eine andere Tradition
Vielleicht liegt es daran, das Star Wars aus einer anderen Tradition stammt. Klar, George Lucas hat das moderne Merchandising quasi erfunden. Dank des Extended Universe (in dem ich mich persönlich nicht auskenne) gab es nie einen Mangel an Star Wars-Manna, wenn man welches brauchte. Aber eigentlich bedeutet das Star Wars-Modell doch: Ein Film – und dann wieder drei Jahre warten. Das war bei den Originalfilmen so (die ich im Kino natürlich nicht erlebt habe) und bei den Prequels auch: Man hatte drei Jahre Zeit, The Phantom Menace zu verdauen. Und als Attack of the Clones kam, hatte man fast schon wieder vergessen, wie enttäuschend der Film war. Oder man hatte genug Zeit gehabt, ihn sich schönzugucken. Und ist wieder ins Kino.
Diese Tradition wird Abrams jetzt wohl durchbrechen und es wird interessant sein, zu sehen, ob Star Wars damit zu einem anderen Biest wird. Star Wars Mk. 1 waren drei kanonische Filme und ein Haufen Spielzeug. Star Wars Mk. 2 waren sechs kanonische Filme, eine Fernsehserie („The Clone Wars“) und ein Haufen Spielzeug. Wird Star Wars Mk. 3 ein Sperrfeuer aus Medien, die alle gemeinsam eine epische Geschichte erzählen, oder werden die „Episoden“ weiterhin einen so herausragenden Status genießen?
Das Event als Dauerzustand
Das vormalige Event wird jedenfalls zum Dauerzustand – was natürlich aus Marketingsicht einen ganzen Haufen Sinn ergibt. In seiner viel beachteten Rede auf dem San Francisco Film Festival hat Steven Soderbergh erst vor kurzem auf das absurde Diktat des Marketings hingewiesen, das inzwischen in Hollywood herrscht. Es kostet so viel Geld, einen einzigen Film ins Kino zu bringen, dass es mehr Sinn ergibt, auf wenige gigantische Dampfwalzen zu setzen, als auf viele kleine Menschen mit Sprengstoff, um einen Block zu sprengen, sozusagen.
$10 million movie, 60 million to promote it, that’s 70, so you’ve got to gross 140 to get out. Now you’ve got $100 million movie, you’re going spend 60 to promote it. You’ve got to get 320 to get out. How many $10 million movies make 140 million dollars? Not many. How many $100 million movies make 320? A pretty good number, and there’s this sort of domino effect that happens too. Bigger home video sales, bigger TV sales, so you can see the forces that are sort of draining in one direction in the business.
Es dürfte einige Millionen sparen, wenn man nicht alle drei Jahre wieder neue Aufmerksamkeit für ein Franchise herbeitrommeln muss, sondern sich einfach in die noch relativ frische Erinnerung der Zuschauer einklinkt – die schließlich erst vor einem halben Jahr die DVD gekauft haben, während ihre Kinder sowieso die ganze Zeit die Story zwischen den Episoden in Comics und Videospielen erleben.
Pixarifikation und Inzest
Auch mein Lieblingsregisseur Danny Boyle hat sich vor kurzem zum Zustand der Filmindustrie geäußert und (wohl zurecht) ihre „Pixarifikation“ beklagt. Die angesprochenen Veränderungen in Distribution und globaler Kinolandschaft haben dazu geführt, dass große Filme ein möglichst breites Publikum ansprechen müssen, um überhaupt Geld zu machen. Falls also jemand darauf hofft, dass Abrams‘ Star Wars in irgendeiner Form „erwachsener“ wird als Lucas‘ Prequels, sollte sie die Hoffnung lieber ziemlich zurückschrauben.
Sie ist nach wie vor absurd, diese Geschichte, und doch wahrscheinlich irgendwie das, was immer passiert: Der Film, der alle Regeln brach, ist selbst zur Blaupause für eine ganze Industrie geworden. Und wie beim Ergebnis von mehreren Generationen Inzest besteht für jedes neue Kind die Gefahr einer schrecklichen Missbildung. Als Medienbeobachter ist es faszinierend, dabei zuzusehen. Als Fan kann man wohl nur der Macht vertrauen, dass noch genug neues Genmaterial im Universum vorhanden ist, um auch einen Flächenbrand lebendig zu halten.
(hat tip: Max)
Quotes of Quotes (IX)
15. April 2013
What was important to us in Phase One was acclimating an audience who maybe never read the comics, who didn’t know that Iron Man and Thor and Hulk all inhabited the same Marvel universe in the comics, and start seeding that idea through the films to get them used to the notion that these characters live in the same world; that this is a shared universe […].
Now with the beginning of Phase Two, the audience knows that. The audience knows there are connective tissues leading to it and will continue so now we have the leeway and the ability to have fun with that, just like they do in the comics. We can have fun and surprises with who connects where.
– Kevin Feige über die Zukunft des Marvel Cinematic Universe
Interessant zu wissen, dass dies die offizielle Marvel-Position zu Phase 2 des Marvel Cinematic Universe ist: „fun and surprises“. Zu hoffen bleibt, dass es Marvel gelingt, die richtige Balance zwischen Insider-Verbinde-Spaß und für sich stehenden Geschichten zu erzählen. Iron Man 2 hat in dieser Hinsicht beispielsweise stark darunter gelitten, dass er gleichzeitig „Avengers 0.5“ sein musste.
[Ergänzung, 16.4. – Joss Whedon hat die Arbeit an Avengers 2 als glorious Challenge bezeichnet]
Die Kunst des Drumherumerzählens
11. April 2013
Im Jahr 1970 stand der britische Theaterautor Michael Frayn in den Sofitten eines seiner Stücke. Sein Standort erlaubte es ihm, nicht nur das Geschehen auf der Bühne zu sehen, sondern auch, was hinter den Kulissen passierte. Die Tatsache, dass er die Vorgänge hinten komischer fand als vorne, brachte ihn zwölf Jahre später dazu, das Stück „Noises Off“ zu schreiben. Die dreiaktige Farce zeigt eine kleine Schauspielertruppe dreimal bei der Aufführung des gleichen Stückes zu verschiedenen Zeitpunkten. Akt 1: vorne, Akt 2: hinten, Akt 3: vorne.
Zwischen den Schauspielern des Stücks gibt es Romanzen und Animositäten, private Probleme, Komplexe und Egos. Im ersten Akt kennen wir diese Probleme noch nicht, wir sehen nur die Generalprobe eines burlesken Stückes, das bereits zu diesem frühen Zeitpunkt einige Stolperer aufweist. Akt 2 enthüllt die Hintergründe der Figurenkonstellationen zwischen den Akteuren, die so gar nichts mit den Figuren zu tun haben, die sie spielen – und wir sehen sehen, wie viel zusätzlich schiefgeht, von dem die Zuschauer im Saal (hoffentlich) nichts merken. In Akt 3 schließlich sind wir Eingeweihte, könnnen aufgrund des Geschehens vorne Rückschlüsse über das Geschehen hinten ziehen – und doppelt lachen.
Ich habe von „Noises Off“ nur die mäßig beliebte Verfilmung gesehen, doch das Stück fiel mir wieder ein, als ich am Ende des jüngst aufgenommenen Podcasts zum Marvel Cinematic Universe über den Inhalt der Serie „S.H.I.E.L.D.“ (offiziell: „Marvel’s Agents of S.H.I.E.L.D.“) spekulierte. „Noises Off“ spielt, zur Geburtsstunde der Postmoderne, gekonnt und komisch mit der Idee, dass die Geschichte, die wir erzählt bekommen, nie die ganze Geschichte ist. Dass man theoretisch immer an hundert Punkten dieser speziellen Geschichte ansetzen könnte, und eine weitere, unbekannte Geschichte erzählen könnte, die ebenso interessant sein kann; die wir aber nie erfahren.
Diese Idee ist natürlich inzwischen nichts Neues mehr. Im Grunde ist sie die Grundlage jeder Kriminalfall-Erzählung und seit der postmoderne zum allgemeinen Zustand geworden ist, taucht sie überall auf: In Pulp Fiction und den Filmen von Alexander Gonzalez Iñarritu, in dutzenden Romanen (mein Favorit: Alex Garlands „The Tesseract“) und Fernsehfolgen. Zersplitterte Erzählung ist überall und wird auch gerne gesehen, weil sie immer einen Anstrich von Cleverness hat: der Zuschauer steht in den Sofitten – er bekommt mehr mit als jede einzelne Figur und darf das Puzzle im Kopf zusammensetzen.
Was Noises off jedoch von den meisten dieser fragmentierten Geschichten unterscheidet, ist die Tatsache, dass es eine dominante Geschichte gibt, die auf jeden Fall erzählt werden muss – das Stück im Stück mit dem vielsagenden Titel „Nothing On“. Diese Haupterzählung, die Handlung von „Nothing On“, muss weiterlaufen, egal was passiert, und die Geschehnisse hinter der Bühne sind ihr untergeordnet. Sie sind, sozusagen, drumherumerzählt.
Nicht die Zeitebenen stören
Habt ihr 18 Minuten Zeit?
Diese Sequenz aus Back to the Future und Back to the Future Part II ist eines meiner Lieblingsbeispiele für erfolgreiches Drumherumerzählen. Im Ursprungsfilm hat Marty McFlys Zeitreise die Geschehnisse seiner eigenen Vergangenheit durcheinandergebracht und droht, seine Zukunft, die eigentlich seine Gegenwart ist, zu verändern. Marty muss also alles daran setzen, die Vergangenheit wieder auf die richtige Spur zu bringen, indem er dafür sorgt, dass seine Eltern sich ineinander verlieben, obwohl sich seine Mutter gerade in ihn verguckt hat. Nebenher inspiriert er Chuck Berry zu „Johnny B. Goode“, indem er ihm, ohne es zu wissen, seinen eigenen Song aus der Zukunft vorspielt (was alle möglichen rassistischen Interpretationen zulässt).
Back to the Future Part II zieht eine weitere Ebene ein. Marty muss erneut in das Jahr 1955, in die exakt gleiche Nacht zurückkehren, um Dummbratze Biff Tannen das Sportstatistik-Heft zu klauen, das Biffs älteres Ich ihm aus der Zukunft zugesteckt hat. Jetzt muss Marty zwei Erzählungen aufrecht erhalten: 1. Seine Eltern müssen sich, wie im ersten Film, ineinander verlieben, obwohl mehrere Zeitreisende in ihrer Zeit herumfuhrwerken. Hierfür muss die „Enchantment under the Sea“-Party erfolgreich stattfinden, quasi das „Nothing On“ von Back to the Future. 2. Marty darf seinem zeitreisenden Ich vom letzten Mal nicht begegnen, weil sonst ein Raum-Zeit-Fehler das Universum zerstören könnte. Er kann also in die Ereignisse nur indirekt eingreifen. Mit anderen Worten: Er muss auch die Erzählung des ersten Films aufrecht erhalten, denn dieser kann sich ja rückwirkend nicht mehr verändern.
Also erzählt Robert Zemeckis sehr geschickt um die Ereignisse aus Teil 1 herum. Besonders schön ist dies im letzten Drittel zu sehen. George küsst Lorraine und Marty 1 bekommt auf der Bühne seine Familie zurück, Marty 2 steht am anderen Ende des Raums und wird von Biffs Schergen gejagt. Diese kommen in den Ballsaal und sehen Marty 1 auf der Bühne, wundern sich, wie er so schnell dorthin gekommen ist und die Kleidung gewechselt hat. Sie machen sich bereit, ihn zu verprügeln, während er mit „Johnny B. Goode“ beginnt, doch Marty 2 dreht den Spieß um und knockt die drei aus, bevor sie die Erzählung seiner ersten Zeitreise stören können, die in der Konsequenz auch auf seine jetzige Zeitreise durchschlagen würde. Eine komplette zweite Handlung, im Kontinuum der ersten Handlung, wird um die erste Handlung herumgestrickt, und kommt ihr unendlich nah, ohne sie tatsächlich zu berühren.
Im Transmedia-Universum
Im Zeitalter des Transmedia Storytelling, in dem wir uns inzwischen befinden, ist es nun nicht mehr nur eine Option, eine Geschichte in mehreren Fragmenten innerhalb des gleichen Texts zu erzählen, sondern über mehrere Medien hinweg. Und wenn das Universum erst mal steht kann man darin natürlich so viele Geschichten erzählen, wie man will. Große und kleine.
Das vielleicht bekannteste Pop-Franchise, das dies als erstes probiert hat, sind die beiden Sequels der Matrix. Ergänzend zu The Matrix Reloaded gab es ein Videospiel namens „Enter the Matrix“, in dem auch Filmszenen eingebaut waren, die den Handlungsraum von Reloaded erweiterten, indem sie die Geschichte erzählten, die sekundäre Charaktere wie Jada Pinkett Smiths Niobe parallel zur Haupthandlung von Neo, Trinity und Co erlebten. Beworben wurde das Ganze damit, dass man nur mit Film und Computerspiel (und Animatrix) das große Ganze des Films erfassen konnte. In Wahrheit bringen die „Enter the Matrix“-Szenen (die auch im DVD-Sammlerset enthalten sind und hier auf YouTube) keinerlei echte Aufklärung für den kryptischen zweiten Teil der Trilogie. Auch sie schmiegen sich nur an die Haupthandlung an.
Das Prinzip, Nebenfiguren eine eigene Geschichte zu geben, die parallel zur Haupterzählung stattfindet, wurde schließlich in den Nuller Jahren vor allem von Disney-Tochterfirmen auf originelle Art angewandt, um zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen: Die DVD-Verkäufe anzukurbeln und Nachwuchsregisseuren im Kurzfilm eine Chance zu geben.
The Incredibles war der erste Film, der dieses Prinzip anwandte. (SPOILER AB SOFORT) Auf dem Rückweg von ihrem Endkampf hört Helen Parr ihre Mailbox ab und findet dort eine Reihe von zunehmend panischen Nachrichten der Babysitterin, die auf Sprößling Jack-Jack aufpassen sollte – das einzige Kind, von dem die Parrs denken, dass es keine Superkräfte hat. In der letzten Nachricht berichtet sie erleichtert, sie habe Jack-Jack an den „Ersatz-Sitter“ weitergegeben. Ängstlich beeilen sie sich, zum Haus zurückzukommen, um zu sehen, was passiert ist – nur um festzustellen, dass Syndrome ihnen zuvorgekommen ist und Jack-Jack bereits in seiner Gewalt hat. Es folgt der Endkampf nach dem Endkampf.
Der Schatten der Helden
Der Kurzfilm Jack-Jack Attack (Regie: Ebenfalls Brad Bird), der auf der DVD von The Incredibles enthalten ist, erzählt die gleiche Geschichte aus der Sicht der wohlmeinenden aber etwas unterbelichteten Babysitterin, die Stück für Stück Jack-Jacks Superkräfte am eigenen Leib erfahren muss und das Baby schließlich entnervt Syndrome in die Hand drückt.
Die Telefonnachrichten im Hauptfilm hatten völlig ausgereicht, um anzudeuten, was passiert ist – noch dazu auf sehr clevere und Zeit sparende Art (in einem Zeitalter, in dem Filme mehr und mehr dazu neigen, alles auszuerzählen). Jack-Jack-Attack, auch mit seiner Rahmenhandlung eines Geheimdienst-Verhörs, schafft es dennoch, dem Hauptfilm eine kleine Geschichte hinzuzufügen, die dort keinen Platz gefunden hätte (laut Wikipedia war dies auch der Ausgangspunkt), aber genau die richtige Länge und Dramaturgie für einen Kurzfilm hatte.
Zu Wall-E wurde dieses Prinzip noch einmal aufgegriffen, diesmal jedoch weniger direkt mit dem Hauptfilm verzahnt. Der DVD-Kurzfilm Burn-E spielt mit der Idee, dass Filmhelden mit ihren mutigen und waghalsigen Aktionen öfter mal Schaden anrichten können, von dem sie nichts wissen.
Burn-E ist auf der Axiom, dem großen Raumschiff, das Wall-E auf seiner Suche nach Eve bereist, für die Wartung der Warnlichter an der Außenhülle verantwortlich. Ein Stück Sternenstaub aus Wall-Es poetischer Geste zu Anfang des Weltraumflugs landet durch Zufall in einem dieser Lichter und Burn-E muss es reparieren. Dummerweise gelingt es Wall-E (ohne dass er es merkt), das gleiche Licht durch blöde Zufälle immer wieder kaputtzumachen, was den kleinen Burn-E fast um den Verstand bringt.
Wie in Back to the Future geht es also auch hier wieder darum, einen erzählten Status Quo (nämlich den des vorhergehenden Films) aufrecht zu erhalten. Es ist genau dieses Prinzip des kleinen Mannes oder der kleinen Frau, die hinter den Superhelden und ihren Heldentaten herräumen müssen, das sich perfekt für das Drumherumerzählen eignet, denn im Grunde sind diese Chraraktere quasi die Continuity-Wächter des Film-Universums. Sie sorgen dafür, dass dort, wo die Heldenreisen-Regeln gelten, alles den erwarteten Gang geht und nicht etwa an unvorhergesehenen Fehlerchen scheitert.
Um diesen Job im großen Stil zu erledigen hat die Popkultur seit jeher geheime Organisationen erschaffen, die mit einem Heer von „kleinen“ Frauen und Männern die Welt in Balance halten. Sie heißen „Men in Black“, CONTROL oder – genau – S.H.I.E.L.D.
We work in secret. We exist in shadow. And we dress in black.
S.H.I.E.L.D. und ihr Chef Nick Fury sind im Marvel Cinematic Universe der Kleber, der die einzelnen Filme und ihre Handlungsstränge zusammenhält.Außerdem drehen sich sämtlich Erzählstränge, die ergänzend zu den Haupterzählungen der Superhelden aufgemacht wurden, um S.H.I.E.L.D.: die Post-Credit-Stingers, die Seitenplots in Iron Man 2, der Comic „Fury’s Big Week“ und die grob nach dem gleichen Prinzip wie Jack-Jack Attack und Burn-E operierenden „Marvel One-Shots“, Kurzfilme, die als Ergänzungs-Gimmick zu den Hauptfilmen auf den DVDs enthalten waren.
Der erste Mavel One-Shot The Consultant erschien auf der Thor-DVD, ist aber eigentlich um The Incredible Hulk herumerzählt. Im Grund ist er ein cleverer Retcon. Der Post-Credit-Stinger im Hulk zeigte Tony Stark, wie er General Ross vorschlägt, ein Team zusammenzustellen. Zu Zeitpunkt von Thor, zwei Jahre später, passte das aber nicht mehr mit der geplanten Continuity für die Avengers zusammen. Also liefert The Consultant eine unerwartete Erklärung: Stark war nur von S.H.I.E.L.D. als „Patsy“ zu Ross geschickt worden, er sollte Ross verärgern und das Gegenteil von dem erreichen, was er dachte. Und die beiden reden keinesfalls über den Hulk, sondern über seinen Gegner Abomination. Der Kurzfilm lässt alle bisherigen Erzählungen intakt und deutet sie dennoch so um, dass auch für die Zukunft alles passt.
Der zweite One-Shot A Funny Thing Happened on the Way to Thor’s Hammer (enthalten auf der DVD von Captain America) ist weniger stark an die Filme angebunden (er spielt kurz vor dem Post-Credit-Stinger von Iron Man 2) und dient eher dazu, den Charakter von Agent Phil Coulson etwas weiter auszuarbeiten. Der dritte Kurzfilm Item 47 führt völlig neue Charaktere ein und hat als einzigen Anknüpfungspunkt zu den Filmen eine Waffe aus dem Avengers-Film – beantwortet also eine einfache „Was wäre wenn“-Frage nach dem Ansehen von The Avengers: Was wäre wenn eine der Chitauri-Waffen einem Gangsterpärchen in die Hände fallen würde.
Die Serie „S.H.I.E.L.D.“ wird sich höchstwahrscheinlich an den drei bisherigen One-Shots orientieren. Sie erzählt die Superhelden-Saga aus Sicht der Aufräumer, der kleinen Alltagshelden von S.H.I.E.L.D. – da Marvel und Joss Whedon clevere Dinge mögen, wird sie sicherlich das ein oder andere Mal direkte Berührungsstellen mit den parallel startenden Filmen aufweisen, häufig aber eher nur sehr indirekt darauf verweisen.
Die Kunst des Drumherumerzählens setzt immer eine Hierarchie der Erzählungen voraus. Eine Haupterzählung, die durch kleine Nebenerzählungen ergänzt, aber nicht direkt verändert wird. Jede Erzählung kann für sich stehen, obwohl die sekundäre Erzählung ihre Muttererzählung stärker braucht als umgekehrt, beide bieten im besten Fall access points in ein größeres Universum.
Die entscheidende Entscheidung (höhö), die von den Geschichtenerzählern getroffen werden muss ist, wie eng sich die sekundäre an die primäre Erzählung angliedern soll. Denn obwohl die drumherum erzählte Geschichte die Ur-Geschichte nicht verändern kann, kann sie sie doch erheblich umdeuten (wie in The Consultant), erweitern (wie in Jack-Jack-Attack) oder ihr doch zumindest an einzelnen Stellen einen anderen Drall geben (wie in Burn-E). Im schlimmsten (oder besten, je nach Sichtweise) Fall kann sie den Ur-Text völlig negieren – wie in Noises Off, wo die Beziehungen der Schauspieler hinter der Bühne das exakte Gegenteil der Figuren auf der Bühne darstellen. Die kunstvollste Variante ist sicherlich die, die es uns – wie Michael Frayn damals – einfach nur erlaubt, beide Ebenen zu sehen, ihr Zusammenspiel zu beobachten, und sie dennoch als zwei völlig separate Geschichten genießen zu können.